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alles ist dabei halsbrechend und ungeheuer. Den Meisten vergeht gewiß schon die Lust, wenn es um die kalte todte Mitternacht an das Auskleiden gehen soll, und sie nehmen in der Angst die Flucht, und haben dann gewiß das Geschwirr und Gesurr des höllischen Nachtgesindels im Nacken hinter sich. Auf diese Weise hat mancher freche und verwegene Bursch Schuh und Stiefeln Rock und Hut verloren und den Leuten hinterher von Dieben und Räubern erzählt, die ihn so bis aufs Hemd ausgezogen haben; die guten Leute hätten diese Räuber und Kleider und Schuh aber unter dem Rabennest finden können. Viele erfrieren und ermatten auch, indem sie den Stamm kaum halb hinauf geklettert sind, oder können es vor Schmerz nicht länger aushalten, denn es geht dabei wohl an ein ehrliches Schinden der Kniee Schenkel und Arme: und so müssen sie endlich mit Schimpf zurück kriechen oder fallen auch wohl gar jämmerlich herunter. Das bleibt aber wahr,

wenn sie auch oben bis zur äußersten Spitze und zum Neste gelangt sind, dann wird’s erst recht teuflisch und gefährlich. Nun in der Mattigkeit und Angst den vollen Verstand behalten und den Ton so bezwingen, daß auch kein Laut aus der Brust dringt, die Augen zuthun, sich dabei dreimal um den Stamm schwingen, und dann mit der Hand ins Nest fahren und den letzten Glücksgriff thun – das ist wahrhaftig nicht jedermanns Ding. Dabei stürzen noch die Meisten herunter und brechen den Hals, besonders wenn es ihnen zu mächtig wird und sie doch stönen oder murmeln. Dann ist es um sie gethan. So wie auch nur der leiseste Laut fast nur athmet, geschweige klingt,

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_353.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)