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Soll also ein stillschweigendes Komplott angenommen werden können, so müssen drei Momente zusammentreffen: 1) daß das Verbrechen von jedem Mithandelnden für sich bezweckt sei, daß jeder von Hause aus die Gesinnung des Urhebers habe, 2) daß die That gemeinschaftlich begangen werde, 3) daß der Begehung jedenfalls irgend eine solche gegenseitige Willensmittheilung vorangegangen sei, wodurch jeder den Uebrigen gegenüber als Anstifter erscheint, jeder mit den Uebrigen in das Verhältniß der Solidarität tritt.

Der praktische Nerv davon besteht darin, daß allen in den komplottartigen Bund stillschweigend Eingetretenen die ganze Fülle des wirklich begangenen Verbrechens solidarisch zugerechnet werden muß, gleichviel wie groß oder gering die Theilnahme des Einzelnen an der Ausführung war, ob er erst nach Vollendung des Verbrechens Hand anlegte, vor der Vollendung sich entfernte etc.

Wo dagegen nur zufällige Miturheberschaft vorliegt, da greift die solidarische Verantwortlichkeit nur soweit Platz, als Miturheberschaft vorhanden ist, welche natürlich für jeden Theilnehmer besonders erwiesen sein muß. Die Voraussetzung ist nämlich hier, daß keiner auf den andern intellektuell eingewirkt, sondern Mehrere sich zufällig als Theilnehmer an einem und demselben Verbrechen zusammengefunden haben. Sollen hier die Theilnehmer nicht blos als Gehilfen, sondern als Miturheber erscheinen, so ist das Doppelte nothwendig, daß Jeder das Verbrechen als seine eigene That (als Urheber) hervorbringen wolle, und daß er zugleich dieselbe Absicht an Andern gewahre und seine Thätigkeit als Glied in die Thätigkeit dieser Andern einreihe, wodurch eben für alle

Empfohlene Zitierweise:
Christian Reinhold Köstlin: Auerswald und Lichnowsky. Ein Zeitbild, nach den Akten des Appellations-Gerichts zu Frankfurt a. M. mit Genehmigung dieses h. Gerichtshofs. Tübingen 1853, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Auerswald_und_Lichnowsky_094.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)