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Wenn übrigens der Vertheidiger sagt: „Rückert hat den Rock von einer Person angenommen, die er für berechtigt hielt, darüber zu verfügen, unter Umständen, die wenigstens eine Prüfung hierüber nicht zuließen, vielmehr in Rückert die Ansicht erwecken mußten, daß er eine herrenlose Sache empfange“, – so ist dies eine ganz unbegreifliche Behauptung. Denn natürlich mußte ja Rückert wissen, daß der Rock des damals noch am Leben befindlichen Auerswald nur diesem gehöre, daß er daher eine fremde Sache zunächst widerrechtlich für Andre erpresse und nachher ebenso widerrechtlich sich zueigne! –

Von besonderen Strafschärfungs- oder Milderungsgründen gaben die Akten nichts an die Hand.

Zwar beruft sich der Vertheidiger

1) auf die Zweifelhaftigkeit der vollen Zurechnungsfähigkeit des Angeschuldigten. Allein diese, überdies dem Angeschuldigten selbst völlig fremde Ausflucht erscheint als völlig schal, da die vom Landchirurgen Vogelmann geschilderten Zufälle so ziemlich das gerade Gegentheil von einem körperlichen und geistigen Zustand bilden, wie er bei Rückert nach seinem eigenen Geständniß während des ganzen Verlaufs seiner Thätigkeit im Schmidtischen Garten und Hause als vorhanden angenommen werden muß. Ebensowenig hat sich 2) Rückert selbst mit Trunkenheit zu entschuldigen versucht, wogegen auch der ganze nüchterne Charakter seiner einfachen und besonnenen Darstellung des Vorfalls spricht, – abgesehen von der Schwierigkeit, welche die Besteigung der steilen Bodentreppe für einen Starkbetrunkenen gehabt haben müßte. Wenn der Vertheidiger 3) als Milderungsgrund den Mangel an erwiesenem subjektiven Thatbestand vorbringt, so fällt dies durch die bisherige

Empfohlene Zitierweise:
Christian Reinhold Köstlin: Auerswald und Lichnowsky. Ein Zeitbild, nach den Akten des Appellations-Gerichts zu Frankfurt a. M. mit Genehmigung dieses h. Gerichtshofs. Tübingen 1853, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Auerswald_und_Lichnowsky_142.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)