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8. Blutige Vorzeichen.[1]
(1012.)

Es wird mannigfach erzählt, daß in alten Zeiten das Volk noch unmittelbarer als hernach unter seines Schöpfers Regiment gestanden, und Wohl und Weh, Lohn und Strafe, Warnung und Ermunterung in unzweideutiger Weise aus Gottes Hand empfangen habe. Wenn nun auch noch heut zu Tage des Herrn allmächtiges Walten in der Weltgeschichte einem ungetrübten Auge noch eben so sichtbar ist, so erfreuen wir aus doch nicht mehr solcher Himmelszeichen zu Nutz und Lehr, wie sie damals, nach alter Chronisten Aufzeichnung, häufig vorgekommen sein sollen.

So ereignete es sich Ao. 1012 zu Hamburg, als Libentius I. Erzbischof war, daß gegen Ende der Fastenzeit eine verheerende Wasserfluth ganze sieben Tage lang die Stadt überschwemmte; am Palm-Sonntage darauf fielen aus hoher Luft plötzlich dicke, rothe Blutstropfen herab, in großer Menge, fast wie ein dichter Regen, so daß die rothen Spuren davon auf den Kleidern der Leute zu sehen waren. Und darnach stand zwei Tage lang, am Charfreitag und am Ruhetag, die Sonne am Himmel wie eine Feuerkugel, deren rother, blutiger Schein Alles grausig färbte. Erst am heiligen Ostertage ging die Sonne in ihrer natürlichen Farbe und Gestalt wieder auf.

Damit hatte der Herr Gott erwecklich kund gethan, was folgen werde: ein Strafgericht für die Bösen, die solche Warnung und Ermahnung zur Buße unbefolgt lassen würden. Und viel Volks bekehrte sich und bereitete sich vor auf das kommende Unglück, durch Fasten und Beten und gute Werke, damit sie die unsterbliche Seele retteten, und der Tag des Gerichts ihnen durch Gottes Gnade das Himmelreich bringen


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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_019.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)