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in die Stadt fand. Da dies erkundschaftet war, ließ Herzog Heinrich zum Sturm blasen, erstieg an jener Stelle den Wall und eroberte also Bardowik; und da er einen grimmen Zorn gegen die so lange aufsätzige Stadt hatte, so zerstörte er sie völlig und ließ kaum einen Stein auf dem andern. Denn bis auf den Dom wurden die übrigen neun Kirchen der Stadt und alle Häuser niedergebrannt, und auf den Trümmerhaufen schrieb der Herzog die Worte „vestigia Leonis,“ des Löwen Spuren!

Es heißt aber, Herzog Heinrich wäre deshalb so ergrimmt auf die Stadt gewesen, weil die Bardowikerinnen ihm höchst despectirlich begegnet seien, als er vor den Thoren gestanden. Da sollen sie ihm nämlich nicht ihre beste Seite gezeigt haben, sondern den Rücken und was darunter sitzt, über welche unmanierliche und unehrbare Verspottung der Herzog sich denn so sehr entrüstet habe. Dies bezeugt ein alter Niedersächsischer Chronist, der auch Ehrbare Rathsherren an jener häßlichen Verunglimpfung theilnehmen läßt, und hinzufügt : „da dat de Hertog sach, da word he erst grimmig als en Leu.“

Die Bardowiker haben sich von diesem Unglück und einer nochmaligen Einäscherung 200 Jahre später nie wieder zur Höhe einer Stadt erheben können, und sind beim Dorf oder Flecken stehen geblieben; einen Dom und ein Stift giebt’s noch da und viele alte Erinnerungen, z. B. städtische Straßennamen da, wo’s jetzt nur Feldwege zwischen den Aeckern und Gemüsegärten giebt u. dergl. Und gleich nach der Zerstörung haben sie sich in die Zeit geschickt, Handel und städtische Nahrung aus dem Sinn geschlagen, und sich stark auf den Gemüsebau verlegt, Zwiebeln (Zippollen oder Zippeln, wie sie sagen), und „junge gehle Wörteln, gröne Petersilje und Kopp-Salat“ u. dergl., und dabei haben sie ihr Absehen auf das emporblühende Hamburg gehabt.

Empfohlene Zitierweise:
Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_046.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)