Seite:De Beneke Hamburgische Geschichten und Sagen 156.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Darum beneidete diese ihre ältere Schwester, und meinte nicht anders, als daß ihr ein kräftig Geheimmittel zu Gebote stünde, davon ihr Kohl so wunderbar gedeihe. Und weil sowohl Neid als Habsucht sie trieb, nach ebenso trefflichem Kohl zu trachten, so verlegte sie sich in der Stille auf allerlei schwarze Kunst und Zauberei. Wer die Hexe gewesen ist, die sie berathen hat, steht nirgendwo geschrieben; aber mit gotteslästerlicher Absicht ist sie das nächste Mal zum heiligen Abendmahl gegangen und hat bei Austheilung des Sacraments die geweihte Hostie nicht genossen, sondern im Munde aufbewahrt, sodann aber heimlich herausgenommen, und in der folgenden Mitternachtsstunde in aller Teufel Namen in ihrem Garten unter einer jungen Kohlpflanze eingegraben.

Nicht lange darnach hat sich die gewünschte Wirkung solchen Zaubermittels gezeigt; das Unkraut verschwand von selbst, die Kohlpflanzen wuchsen und gediehen in solcher Schönheit, wie niemals in diesen Landen zuvor gesehen; der andern Schwester und aller Nachbarn ehrliche Kohlhöfe waren gegen diesen nur Kinderspiel, und aus Hamburg kamen Aufkäufer und Vorhöker und boten im Voraus große Summen für den herrlichen Ertrag des Gartens.

Inzwischen hatten die Nachbarn bemerkt, daß allnächtlich in diesem Garten ein Lichtschimmer funkelte; fragten also einmal die Eignerin, was sie denn noch Nachts mit der Leuchte dort zu handtieren hätte? worauf sie versicherte und betheuerte, sie wisse gar nichts davon. Als nun die Nachbaren genauer darauf achteten, gewahrten sie, daß das Licht keine Leuchte sei, sondern daß von einem der Kohlsträucher ein wunderbarer strahlenförmiger Glanz ausgehe, der die Pflanze fast wie ein Heiligenschein umgebe.

Solches Phänomen ist ihnen aber befremdlich vorgekommen, darum haben sie Anzeige davon gemacht zu Harvestehude

Empfohlene Zitierweise:
Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_156.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)