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im Holsteinischen auf einem gräflichen Schlosse im Quartier gelegen und einen ernsthaften Liebeshandel mit des Burgherrn Tochter angesponnen. Die junge Gräfin liebte den schönen Kriegshelden herzinnig, obschon er als Feind des Landes ihrem Vater in den Tod verhaßt war, und dessen Einwilligung zu einer Heirath nicht zu erhoffen stand. Die Liebe eines jungen Mädchens aber kehrt sich nicht an Krieg und politischen Hader, wie bekanntlich einquartirte feindliche Soldaten stets unter den Töchtern des Landes Liebschaften genug finden. Hier war aber mehr als Liebschaft, eine gewaltige heiße Liebe auf Leben und Tod, bekräftigt durch viel theure Eide, bestätigt hernach durch den hingebendsten Opfermuth. Darum, als der Oberst mit seinem Regimente das Land verlassen mußte, verabredete er mit der schönen Gräfin eine Entführung. Und kaum hatte er seine Truppen über die Elbe ins Stift-Bremische geführt, so kehrte er heimlich mit den trefflichsten schnellsten Pferden zurück, und in einer stillen dunkeln Nacht entführte er seine Angebetete, die aus Liebe zu ihm Vater und Mutter, Heimath, guten Namen, Alles verließ. Er nahm sie auf sein Roß und jagte mit ihr von dannen, bis dahin, wo er ein zweites hatte stehen lassen, um schneller fortzukommen, und so ging’s rastlos weiter. Aber der alte Graf hatte die Entführung zu früh gemerkt und seine Leute aufgeboten, und verfolgte nun scharf und hitzig die Flüchtigen, die kaum Zeit zum Essen und Trinken fanden, und wegen der anfangs eingeschlagenen Umwege durch einsame Gegenden, viel Vorsprung verloren hatten. Gegen Abend des folgenden Tages waren die Verfolger ihnen hart auf den Fersen, und schon konnten sie den zornigen alten Grafen, Allen voran, erkennen, als sie ins Gebiet der Reichsstadt Hamburg kamen; der alte Graf aber respectirte kein fremdes Gebiet, und setzte ihnen auch da nach, so daß sie gezwungen waren, ihren Gewaltritt weiter fortzusetzen.

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_291.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)