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113. Wie ein Trunkenbold curirt wird.
(1682.)

Um diese Zeit lebte ein wohlhabender Bäckermeister in Hamburg, in der Gegend des Schweinemarktes. Dieser gute Mann, an dem sonst kein Fehler und Makel war, verfiel leider aus angeborener Dursthaftigkeit nach und nach in das unglückselige Trinken, dem er sich so sehr ergab, daß er fast keinen Abend nüchtern, und sehr oft völlig von Sinnen zu Bette kam. Ja, mitunter brachte ihn unter Spottgeschrei und Hohnlachen, zur höchsten Verkleinerung der Familien-Ehre, eine Schaar gottloser Buben nach Hause, die ihn aus einem Rinnstein aufgelesen, darin er, einem Schweine ähnlich, gelegen. Sie sangen Spottlieder auf ihn, und einer der Buben brachte das schöne kurze Gedicht mit der lieblichen Melodie auf, das noch heute als Hamburger Nationallied bei solchen Anlässen gesungen wird:

„Bring’ dat Swin na’n Swinmarkt hen, ho ho ho!“

Vergebens bemühten sich seine Eheliebste, Kinder und Freunde, denen das lästerliche Trinken des werthen Mannes sehr zu Herzen ging, ihn davon zurückzubringen; es wurde immer ärger damit, und er begann schon in Folge solcher Völlerei, etwas dummerhaftig zu werden.

Endlich gingen die Seinigen mit dem Haus-Barbierer und ihrem Beichtvater ordentlich zu Rathe, und beschlossen, einen curiosen Versuch zu machen, den Kranken zu heilen; der Barbierer, ein flinker gewandter Mann, richtete Alles dazu in die Wege. – Als er nun eines Abends toll und voll gesoffen ist, daß er gar nichts mehr von sich weiß, da nehmen sie ihn vor, ziehen ihm seine Wäsche und Kleidung aus und legen ihm fremde herrenmäßige dafür an; dann waschen sie ihn einmal recht sauber; scheeren ihm sein Haupthaar kurz ab

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_332.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)