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Seit Jahren war unter der Leitung des Dombaumeisters Tornov an der Wiederherstellung des Metzer Domes gearbeitet worden. Dieses herrliche Denkmal gotischer Baukunst wurde im dreizehnten Jahrhundert begonnen und erst im sechzehnten vollendet, ist aber trotz dieser langen Bauzeit von einheitlicher, großartiger Wirkung. Es besteht merkwürdigerweise aus zwei Kirchen, aus der eigentlichen Domkirche und aus der gegen Westen vorgelegten ehemaligen Kollegiatkirche Ste Marie la Ronde. Beide Kirchen sind so glücklich miteinander verbunden, daß die architektonische Einheit in keiner Weise gestört wird. Die Kollegiatkirche ist noch jetzt deutlich erkennbar an ihren mächtigen Rundsäulen, während der Dom von Bündelpfeilern getragen wird. Den Chor von Ste Marie la Ronde bildet die jetzige sogenannte Karmelkapelle; ihr Hauptportal liegt dem Kammerplatze zu.

Der deutsche Kaiser wandte den Wiederherstellungsarbeiten sein lebhaftes Interesse zu und verfolgte sie mit großer Aufmerksamkeit. Dieselben waren soweit vorangeschritten, daß im Mai 1903 die Einweihung des neuen, vom Kaiser gestifteten Christus-Portals stattfinden konnte.

Kardinal Kopp nahm die Weihe vor in Gegenwart des Kaisers und der Kaiserin. Auch Erzbischof Fischer von Köln war zur Feier erschienen. Der Kaiser hatte mir die Mitwirkung des Domchores anbieten lassen; da es sich aber um eine liturgische Zeremonie handelte, so war es mir nicht möglich, das Anerbieten anzunehmen. Das Priesterseminar und die Kirchenchöre der Stadt übernahmen den gesanglichen Teil der Feier und entledigten sich ihrer Aufgabe so vorzüglich, daß Erzbischof Fischer mir nachher sagte: »Sie haben den Berliner Domchor nicht nötig«. Ich hielt bei dieser Gelegenheit die Ansprache.

Das neue Portal ist eine tüchtige bauliche Leistung und fügt sich harmonisch der Fassade ein. Allerdings, im Profil gesehen, bildet es mit der Stirnseite des Domes eine Linie, die nicht angenehm wirkt. Außerdem mußten ihm notwendig die Mängel des Renaissance-Portals

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_103.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)