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Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Alldeutsche Presse und Militärpartei wußten sich Einfluß zu verschaffen, und so war das Land ohne festen Halt, es fehlte ihm die unentwegte, zielbewußte Leitung, die die erste Bedingung einer gedeihlichen staatlichen Entwicklung ist. Wäre Elsaß-Lothringen ein selbständiger Bundesstaat mit eigenem Landesfürsten, und würde der starken katholischen Mehrheit der Bevölkerung gebührend Rechnung getragen, so wären die Konvulsionen vermieden worden, unter denen das Land so schwer zu leiden hatte. Möge der Krieg, der gerade Elsaß-Lothringen so viel Leid und Not gebracht hat, auch eine Neuordnung der Verhältnisse bringen, die dem Lande wirklich ersprießlich ist.

Ein Jahr dauert nun das entsetzliche Morden und noch ist kein Ende abzusehen. Daß auch die Diözese Metz unter ihm leidet, und zwar mehr als manche andere, ist selbstverständlich. Der Kanonendonner bringt uns die Nähe des Kriegsschauplatzes immer wieder in Erinnerung. Das Priesterseminar, das Knabenseminar und die Anstalt St. Klemens sind in Festungslazarette umgewandelt. Das Knabenseminar dient zur Aufnahme von Typhuskranken und zwar nicht nur das Haus, sondern auch der Garten, in dem mehrere geräumige Baracken aufgeschlagen sind. Glücklicherweise wurde auf unsere Bitte das bischöfliche Gymnasium zu Bitsch, das man anfangs ebenfalls als Lazarett benützte, bald wieder geräumt, so daß der Unterricht daselbst wieder aufgenommen werden konnte.

Bei der langen Dauer des Krieges mußten wir daran denken, auch das Priester- und Knabenseminar wieder zu eröffnen. Die Zöglinge des ersteren fanden auf dem Landgute des Seminars in Basse-Bévoye Unterkunft. Mit etwa vierzig Zöglingen begann der Unterricht; jetzt (Ende Juli) sind es deren noch gegen dreißig. Doch dürfen wir hoffen, daß im September neun Alumnen zu Priestern geweiht werden können. Das Knabenseminar fand im Kloster der heiligen Familie und im Hause der Schulbrüder zu Montigny gastliche Aufnahme. Es zählte im ganzen etwa fünfzig, den vier oberen Klassen angehörende Schüler. Die sechs Oberprimaner bestanden das Abiturienten-Examen.

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)