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mit den Beispielen der Tugend und Frömmigkeit, die wir vor Augen hatten, erneuerten uns Tag für Tag im Geiste; im Gebete, im trauten Verkehr mit Gott durften Wir ein wenig jenen Frieden und jene Freude kosten, die schon das Erdenleben wie zu einem Freudenmahle macht, zu einer Vorbereitung auf die Wonnen des himmlischen Vaterlandes.

Allerdings erlitt dieses Glück eine gewisse Beeinträchtigung, als Wir aus der Reihe der Mitbrüder hervortreten und die Regierung einer Abtei übernehmen mußten. Das äbtliche Amt bringt naturgemäß viele Sorgen und Mühen mit sich; allein die treue Unterstützung der Mitbrüder, das Glück des klösterlichen Familienlebens, eine hoffnungsvolle Jugend, die unter Unsern Augen heranwuchs, und die ganze glückliche Entwicklung der Abtei unter Gottes sichtlichem Schutze erleichterten Uns die Bürde und erfüllten Uns die Seele mit Freude und mit innigem Danke gegen Gott.

O, niemals werden Wir die geliebte, altehrwürdige Abtei an den Ufern des schönen See's vergessen. Die herrliche Kirche, welche die Zeiten eines heiligen Bernhard und einer heiligen Hildegard geschaut, steht im Begriff, den Staub einer fast hundertjährigen Verödung abzuschütteln und wie mit jugendlicher Schönheit sich zu schmücken. Das düstere Schweigen, welches so lange über der heiligen Stätte brütete, ist gewichen, und wie in alten Tagen steigen wieder der Mönche Loblieder zum Himmel empor. Und wie könnten Wir euch vergessen, ihr stillen Wälder voll geheimnisvoller Majestät, ihr hundertjährigen Hüter des blauen See's, den ihr wie mit lieblichem Kranze umrahmt! Leb wohl teures Kloster, der Herr schütze und segne dich für und für; sei und bleibe immerdar eine Pflanzschule echter Frömmigkeit und Tugend, eine Quelle des Segens für nah und fern! Wir müssen dich verlassen, geliebte klösterliche Einsamkeit, und im Gehorsam zurückkehren in die Welt, der Wir für immer glaubten Lebewohl gesagt zu haben. Doch nein, Wir verlassen dich nicht gänzlich, traute klösterliche Heimat; Wir bleiben Mönch auch auf dem bischöflichen Throne; St. Benedikt wird auch

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_142.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)