Seite:De Benzler Leben 193.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
In den Stürmen des Weltkrieges

Bischof Willibrord betrachtete es stets als seine Hauiataufgabe Freud und Leid mit seinen Diözesanen zu teilen, allen alles zu werden. Alle seine Sorgen und Mühen bezweckten nur das eine, seine Uniergebenen im Guten zu fördern und zu festigen. Er hatte im Laufe der Jahre viel erreicht. Das religiöse Leben stand in seiner Diözese in schöner Blüte, die herrliche Früchte versprach. Da brach der Weltkrieg aus. Er zerstörte viele Hoffnungen und hemmte die religiöse Weiterentwicklung der Diözese.

Für Bischof Willibrord bedeuten die vier Kriegsjahre die leidenvollste Zeit seiner bischöflichen Regierung. Sie stellten ihn vor Aufgaben, die seiner durch und durch friedlichen, auf Versöhnung eingestellten Natur ferne lagen. Mit Weltpolitik beschäftigte sich der Metzer Oberhirte wenig, der Seelenpolitik galt immer sein erstes Interesse. Wie schwierig mußte darum die Lage des Bischofs sein in einem Lande, das dem Kriegsschauplatz so nahe war, in einem Lande, das zwar zu Deutschland gehörte, aber trotz der vierundvierzigjährigen deutschen Oberherrschaft zu einem großen Teile seit jeher, was Kultur und Sprache anlangt, französisch war und blieb.

Im Anfange des Krieges erfüllte freilich, wie der Bischof in seinen kurzen Mitteilungen über das erste Kriegsjahr ausdrücklich betont (siehe S. 128), das lothringische Volk, mit dem Klerus an der Spitze, seine staatsbürgerlichen Pflichten gewissenhaft.

Das wurde nach und nach anders. Mehr und mehr griff in weiten Kreisen der Bevölkerung eine gewisse Unzufriedenheit um sich. Schuld daran waren nicht bloß die Härten, die der Krieg in Deutschland überhaupt und in einem Grenzlande doppelt notwendig machte, sondern vor allem Härten, die von der während des Krieges in Lothringen herrschenden Militärregierung wohl größtenteils hätten vermieden werden können (siehe S. 128). Die Folge dieser Härten war ein Umschlag der Stimmung, der sich immer mehr bemerkbar machte. Der Bischof, der die Herzen seiner Untergebenen wie keiner

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_193.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)