Seite:De Benzler Leben 225.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nahmen eine, nach Maß und Art ungewöhnliche Gestalt an: am linken Fuß öffneten sich fünf Wunden, aus denen das Wasser fast beständig floß, später kam eine große Wunde am rechten Fuß hinzu. Da er die letzten Wochen immer im Stuhl sitzen mußte, wurde der Körper wund; man konnte ihn nur schwer und nicht ohne große Schmerzen zu verursachen, bewegen. Der Kopf sank vor Schwäche oft bis auf die Knie und, um ihn zu halten, legte man dem Kranken eine Stirnbinde an, die ihn wie eine Dornenkrone schmückte. Einmal rief er aus: »Mein Gott, du hast mich verlassen!«, doch alsbald verbesserte er sich: »Nein, du hast mich nicht verlassen!« Von Zeit zu Zeit stellten sich Krämpfe und Schüttelfrost ein. Dann folgte große Ermattung und Bewußtlosigkeit. Er ließ sich viel vorbeten und über das bittere Leiden des Heilandes vorlesen. Am Feste des heiligen Benedikt, das 1921 auf den 3. April fiel, diktierte er noch einen Brief an den Erzabt, um ihm und Beuron Segenswünsche zu schicken und, wie er sagte, das liebe Heiligtum im Donautal dem heiligen Patriarchen zu empfehlen. »Mir ist es ein großer Trost«, so schrieb er, »mich durch Ihre väterliche Liebe und durch die Liebe aller Mitbrüder so eng mit dem teuren Mutterkloster vereint zu wissen. In dieser Vereinigung verbringe ich den Rest meines Lebens. In ihr möchte ich auch sterben. Zuversichtlich hoffe ich, daß unsere teuren Väter, die uns vorausgegangen sind, mich, wenn der Tag gekommen ist, in ihre Gemeinschaft aufnehmen werden.«

Anfangs April sah man, daß die Auflösung bald eintreten werde. Am 11. April sprach er zu seinem treuen Sekretär, P. Othmar Amann von Maria-Laach: »Ich habe nur mehr das eine Verlangen, aufgelöst und mit Christus zu sein.« Wiederholt verlangte er, auf den Boden gelegt zu werden, wo er als Mönch sterben wolle: ein Wunsch, dem man begreiflicherweise nicht nachkam. Auf die Nachricht, daß es zu Ende gehe und der Sterbende ihn nochmals zu sehen wünsche, traf der Erzabt am 15. April nachts zwölf Uhr in Lichtental ein und begab sich sofort in das Sterbezimmer. Er fand den Bischof im Stuhl, in dem er seit fast sechs Wochen lag, wie ein Bild Christi im

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_225.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)