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Verlasse die Familie und den umfriedeten Klosterbezirk und das stille Tal und den kleinen See! Nun geht die Fahrt hinaus ins offene Meer. Du sollst den Abtsstab vertauschen mit dem Bischofsstab und die kleine Klostergemeinde mit einer Diözese von sechshunderttausend Seelen. Das war abermals ein schmerzliches Scheiden und Verlassen, abermals eine hundertfache Vermehrung der Lebenslast. Aber sobald Abt Willibrord den Willen Gottes erkannte und die Entscheidung des heiligen Stuhles vernommen hatte, war er zum Verzicht bereit und sprach er mutig sein »non recuso laborem«, ich weigere mich der Arbeit nicht.

Geliebte Zuhörer! Ich gehe nicht ein auf die besonderen Schwierigkeiten, Sorgen, Mühen und Leiden, auch nicht auf die Taten, die Erfolge und die Freuden seines Pontifikates in Metz 1901–1919. Aber ich kann mir nicht versagen, zu erinnern an den Eucharistischen Kongreß 1907, der so recht die Sonnenhöhe seines bischöflichen Lebens und Wirkens bezeichnete. Das waren noch die schönen Zeiten, wo die Katholiken der verschiedensten Nationen vor dem heiligsten Sakrament sich als Brüder fühlen und lieben konnten; es waren Tage eines himmlischen Friedens, voll wahrer Paradiesesfreude.

Die Sonne dieses Festes war und blieb bis zum Ende die Sonne seines Lebens, der Mittelpunkt und Brennpunkt seiner Diözesanregierung, die mehr auf Gebeten als auf Geboten beruhte, der Quellpunkt all des Segens seines Pontifikates in guten und bösen Tagen, im Frieden und mitten im schrecklichen Krieg.

Als aber der Krieg zu Ende war, da erging zum viertenmal an ihn der Ruf: »Veni, sequere me!« Und diesmal hatte der Ruf etwas vom Klang der »tuba mirum spargens sonum.« Komm und folge mir nach! Verlasse deine Herde, deine Diözese, deine Kathedrale, deinen Bischofssitz, verlasse alles und folge mir nach!

Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er den früheren Rufen sich gefügt hatte, folgte er auch diesem letzten. Er verließ alles und pochte an derselben Klosterpforte wiederum und bat bescheiden um Aufnahme, kaum sich würdig erachtend der hohen

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_230.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)