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Vater auf, und alle umschlang das Band aufrichtiger brüderlicher Liebe. Der Abt leitete mit Weisheit und Milde die ihm anvertraute Gemeinde. Allabendlich versammelte er sie um sich zu einer geistlichen Konferenz. An den Sonn- und Feiertagen wurden aszetische Stoffe oder die betreffenden Festgeheimnisse behandelt; an den Wochentagen kam die heilige Schrift, besonders das Psalmenbuch zur Geltung. Diese Konferenzen trugen nicht wenig bei zur Stärkung der inneren Bande, welche die klösterliche Familie zusammenhielten.

Nicht an letzter Stelle kam der Familiengeist in den gemeinsamen Erholungen mittags und abends zum Ausdruck und fand darin seine Nahrung. Die Unterhaltung war eine gemeinsame, jeder sollte dazu seinen Beitrag liefern; Privatgespräche sollten nicht geführt werden. Den Mittelpunkt der Rekreation bildete naturgemäß unser P. Magister, der, stets heiter, uns die Erholungszeit überaus angenehm zu machen wußte. Er war noch jung, hatte aber schon vieles erfahren und war ein Kenner der Menschen und des Lebens. Kaum den Knabenjahren entwachsen, war er in die päpstliche Armee eingetreten und Zuavenoffizier geworden. Aus seinen Erlebnissen wußte er manches Heitere und Interessante zu erzählen. Er verstand es auch, alle Dinge in geistreicher Weise aufzufassen und zum Gegenstande des Gespräches zu machen. So wurden die mit ihm verbrachten Erholungsstunden ebenso anregend als erfreuend.

Welch zarte Rücksichtsnahme in der Rekreation geübt wurde, sollte ich gleich anfangs erfahren. Ich hatte im Chordienst meine ersten Versuche machen müssen, und es war nicht ohne verschiedene Fehler abgegangen. Ich erwartete es als etwas ganz Selbstverständliches, daß in der Erholung meine Ungeschicklichkeit mit der gebührenden Heiterkeit ins Licht gesetzt würde. Wie war ich aber erstaunt und aufs angenehmste überrascht, als hierüber auch nicht die leiseste Bemerkung gemacht wurde.

Wir waren damals ziemlich zahlreich im Noviziate, über zwanzig, Postulanten, Novizen und junge Professen. Letztere blieben noch zwei Jahre nach der Gelübdeablegung unter der Leitung

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_27.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)