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Der Winter war streng; die Kirche, unmittelbar am Inn gelegen, sehr kalt. Aber was verschlug’s? Die Herzen erfroren mit nichten!

Natürlich sahen wir uns auch in der lieben Gottesnatur um, und da mußten wir der Vorsehung wirklich dankbar sein, daß sie uns mitten in solche Herrlichkeiten geführt hatte. Auf den wöchentlichen Spaziergängen in die nächste Umgebung hatten wir Gelegenheit, die Wunder der Alpenwelt anzustaunen. Bisweilen wurden die Gänge wohl auch weiter ausgedehnt, ins romantisch gelegene Volderbad, oder zum Speckbacher Haus in Gnadenwald oder auch zum seligen Anderl nach Rinn, wo im Kirchlein die Reliquien des heiligen Kindes verehrt werden. Die ragenden Alpen sprachen uns immer wieder von der Macht des Schöpfers, Kirchlein und Kreuz wiesen uns höher hinauf. Die Inschrift am Fuße eines Kreuzbildes gab diesem doppelten Gedankenfluge sinnigen Ausdruck: »In dem Tempel der Natur – siehst du des großen Gottes Spur; – doch willst du ihn noch größer seh’n, – dann bleib bei seinem Kreuze steh’n.«

Auf die Größe Gottes in der Erlösung der Menschheit wies uns beständig das liturgische Leben hin mit all den Festen, welche die Wunder der göttlichen Liebe und Huld feiern. Der Novizenmeister ließ es sich angelegen sein, uns immer mehr das Verständnis des liturgischen Jahres sowohl im allgemeinen, als auch in seinen großen Gedenktagen zu erschließen.

Neben den Unterweisungen des Noviziates war es auch die Privatlektüre, die uns im geistlichen Leben förderte. Ich erinnere mich mit Dankbarkeit an die Lesung zweier bekannter Schriften des heiligen Alphons, die mich damals erbauten. Es war »Die wahre Braut Christi«, diese treffliche, praktische und warmherzige Einführung in die Pflichten des Ordensstandes und die »Übung der Liebe zu Jesus Christus«, ein schlichter, tief empfundener Kommentar zum Kapitel (13.) über die Liebe aus dem ersten Korintherbriefe. Später führte mich das herrliche Buch von Scheeben-Nierenberg »Die Herrlichkeiten der göttlichen Gnade« ein in die Betrachtung des übernatürlichen Wirkens Gottes in unseren Seelen.

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_34.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)