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ehrwürdigen Bäumen beschattete Allee an die Zeiten, da sich de Rancé und Bossuet darin ergingen. Das Grab de Rancés erfüllt die Seele mit Ehrfurcht; es birgt die Reste eines hochbegabten Mannes, der auf eine glänzende Laufbahn verzichtete und hier in strengster Buße sein Leben verbrachte. Die Mönche leben vom Ackerbau und vom Erlös einer vortrefflichen Schokolade, die sie bereiten. Neben dem Kloster unterhalten sie ein Waisenhaus.

Im Jahre 1898 machte Kaiser Wilhelm II. seine Pilgerfahrt nach Palästina. Er erwarb bei dieser Gelegenheit die sogenannte Dormitio, die Stätte des Heimgangs der allerseligsten Jungfrau, und überließ diese dem Vereine vom heiligen Lande, damit er daselbst eine Kirche errichte. Die Beuroner Benediktiner wurden ausersehen, die Hüter dieses neuen Heiligtums zu werden.

Als im Oktober 1900 die Grundsteinlegung der Kirche Mariä Heimgang stattfinden sollte, beauftragte mich Erzabt Plazidus bei diesem feierlichen Akte die Beuroner Kongregation zu vertreten. Von einem Mitbruder begleitet, schloß ich mich in Straßburg dem Kölner Pilgerzug an. Die Fahrt ging ohne Unterbrechung bis Genua. Dort bestiegen wir das Schiff. In Civitavecchia gingen wir ans Land. Leider verzögerte sich die Weiterreise nach Rom derart, daß, als wir vor St. Peter ankamen, die Pforten der Basilika sich öffneten, und die Menge herausströmte, ein Zeichen, daß der von Leo XIII. erteilte feierliche Empfang, dem auch wir hätten beiwohnen sollen, beendigt war. Eine neue Audienz zu erlangen, war damals nicht leicht. Doch die Leitung des Pilgerzuges wußte nach einigen Tagen des Wartens gleichwohl zum Ziele zu kommen. Wir wurden mit einem ungarischen Pilgerzug zur Audienz zugelassen. Es war dies das erste Mal, daß ich Leo XIII. sah. Der Eindruck, den diese hoheitsvolle, fast ätherische Erscheinung auf mich machte, ist unbeschreiblich. Ich war tief ergriffen und konnte mich der Tränen nicht erwehren. Mir ward gestattet, zum päpstlichen Throne hinzutreten und dem Heiligen Vater meine Ehrfurcht zu bezeugen. Mit weit ausgebreiteten

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_86.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)