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bevor sie ihre Mission antraten. Hier kniet noch jetzt der Missionär der nach den fernen Gestaden Chinas oder Japans oder nach den entlegenen Inseln der Südsee zieht. Hierhin sind aber auch von altersher die Gläubigen und besonders die Bischöfe gepilgert, um ihren Glauben zu bekennen und sich in ihm stärken zu lassen. Wie viele Heilige haben hier gebetet, wie viele fromme Christen Gott gedankt für die Gnade, Kinder der katholischen Kirche zu sein. Mit welcher Innigkeit, Dankbarkeit und Freude betet man hier das »Credo in unam, sanctam, catholicam et apostolicam Ecclesiam« (Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche). Das Grab des Apostelfürsten ist umgeben von einem Kranze brennender Lampen. Diese zahlreichen Flammen schienen mir alle die Diözesen des Erdkreises zu sinnbilden, die, mit Petrus vereint, das Licht ihres Glaubens und ihrer Liebe leuchten lassen vor Gott und vor der Welt.

Petrus schläft hier, nicht weit von dem Orte, an dem er durch sein Martyrium den göttlichen Meister verherrlicht hatte. Aber droben, im anstoßenden Palaste des Vatikans, da wacht Petrus, da lebt er in der Person eines schwachen Greises, eines Greises, es ist wahr, aber eines solchen, auf den die ganze Welt mit Ehrfurcht schaut, dessen Stimme selbst von denen beachtet wird, die nicht zur Herde Christi gehören.

Bald, am 13. November, dem Feste Allerheiligen unseres Ordens, hatte ich das Glück, von Leo XIII. in Privataudienz empfangen zu werden. Mit väterlicher Huld nahm er mich auf und unterhielt sich längere Zeit aufs herablassendste mit mir. Ich schaute in sein schönes, lebensvolles Auge und hatte wiederholt Gelegenheit, seine Geistesfrische zu bewundern.

Er legte mir besonders die Erziehung des Klerus ans Herz. Im Geiste des Opfers müssen die Seminaristen zu jener sittlichen Freiheit erzogen werden, die sie als Priester instand setzen, den drohenden Gefahren Trotz zu bieten. Er sprach auch von den großen Bedürfnissen der Kirche, besonders der orientalischen, die anfange, den Wünschen des Papstes nachzukommen. »Ich arbeite von morgens bis abends,« bemerkte der zweiundneunzigjährige Greis. Fürwahr,

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_98.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)