Seite:De Bracke (Klabund) 170.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sann er, ist die uns von allen Schriftstellern als so gütig geschilderte Natur. Die Tiere sind so schlimm wie wir. Was tat ich, als ich beim Todestage meines Kindes die sieben Juden aufhängen ließ, Schlimmeres? War’s größere Sünde, als Brackes Weib den Dolch des kurfürstlichen Meuchelmörders empfing? Nicht genug, daß die Grillen, wenn sie sich begegnen, sich gegenseitig zerfleischen. Nicht genug, daß die Schlupfwespe in sanft kriechende, hellgrüne, mit rosa Sternen bestreute Raupen – Wunder der Schönheit – ihre Eier legt, und ihre Larven das wehrlos dem Feinde hingegebene Geschöpf von innen zerfressen. Ein Geliebtes tötet noch in der Umarmung den Liebenden und fügt ihn in grauenvoller Mast zur eigenen Fülle, zum eigenen Wert. Und dennoch: auch dieses ungeheuerlichste Ungeheuer kennt das Opfer. Es opfert sich, ja selbst das innerlich der Liebe zugeneigte Herz: der Zukunft, dem besseren Geschlecht. Der Gatte soll nicht leben, sie selbst – verworfener Wildheit voll – nicht leben, wenn das Geschlecht, das sie beide gezeugt, heraufkommt:

Empfohlene Zitierweise:
Klabund: Bracke, Berlin 1925., Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bracke_(Klabund)_170.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)