vor mir. … Er wird ihn nie mehr lesen. Ist es das, was sie damit meinen, daß er tot sei? Heißt es, daß nichts von mir ihn je noch erreichen kann? Daß die ganze Welt für ihn nicht mehr ist, daß ich für ihn nicht mehr bin, weil er selbst nicht mehr ist? Heißt es das?
Ich höre immer nur dieselben Worte – er ist nicht mehr. Zuerst verstand ich’s nicht – nun ist es alles, was ich noch weiß. Die Worte füllen die Welt – alles andere ist versunken.
Hätte ich ihn doch nur ein einziges Mal noch sehen können! Wär ich doch wenigstens zu allerletzt bei ihm gewesen! Daß er da allein sein, allein sterben mußte! Seine Verlassenheit ermaß ich an der eigenen Vereinsamung, seinen Jammer an meinem Jammer.
Jahrelang hat er mich umgeben mit Zartheit und Fürsorge, hat mich geliebt – wie sehr, weiß ich erst jetzt – ich durfte damals ja gar nicht dran denken – mußte vorbeigehen – wo er mir sein ganzes Leben gab.
Ach, gäb es doch nur eine Stunde, von der ich mir jetzt sagen könnte, die habe ich ihm ganz geschenkt, deren hat er sich mit den allerletzten Gedanken sicherlich noch erinnert!
Hätte ich doch selbst den Trost solch einer einzigen Erinnerung!
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/261&oldid=- (Version vom 31.7.2018)