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verstehe ich, darin bin ich raffiniert. Über die Kühlung in den Zimmern hab’ ich sozusagen wissenschaftlich nachgedacht.“ Er sprach wie jemand, der lange geschwiegen hat und seiner Stimme Motion machen will. Ab und zu schaute er zur Türe hinüber und murmelte: „Wo meine Frau bleibt?“ Als Schritte im Nebenzimmer hörbar wurden, rief er: „Claudia“ – da kam seine Frau. Ein sehr schlankes, feines Figürchen – ganz farbig – gleich fiel mir die unendlich feine Linie der abfallenden Schultern auf. Der blaue Musselin des Kleides floß so eng am Körper nieder, daß die Knie im Gehen leicht gegen den Stoff stießen, am Gürtel trug sie einen etwas zu großen Strauß weinroter Skabiosen. Der Kopf erschien mir zuerst überraschend; ganz leichtes, hellrotes Haar umgab ihn, das Gesicht darunter weiß und ruhig – und darin große, braunrote Augen farbig und samtig, wie die Blätter mancher Chrysanthemen. „Hier hab’ ich uns den Herrn von Brühlen eingefangen“, sagte ihr Mann. Sie kam aufrecht und langsam heran, reichte mir die Hand – sah mich an – wie wir ein neues Möbel ansehen und sagte einfach: „Es freut mich sehr.“ Dann setzte sie sich auf das Sofa

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/167&oldid=- (Version vom 31.7.2018)