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setzte sich auf den Sessel, der neben mir stand – schutzsuchend – – zu mir gehörig. Seit meinen Knabenjahren hatte ich nicht mehr dieses starke Freudengefühl empfunden, das uns von Kopf bis zu Fuß mit einer süßen Wärme erfüllt. Nun kam eine köstliche Stunde – Claudias Hand lag auf der Armlehne ihres Sessels, meine auf der Lehne des meinen. Unsere Hände waren einander nah – sie sehnten sich nach einander, sie fühlten einander. Hätte ich wirklich Claudias Hand ergriffen, so wäre das trivial gewesen. So etwas tut Spall vielleicht. Aber so war es gut. Die Ahornwipfel standen still und schwarz im Mondlichte. Daahlens Stimme erzählte jetzt ruhig knarrend, sprach die barbarischen Negernamen tönend in die nächtliche Stille hinein.


12. August. Sonntag Nacht.     

Zu Daahlens wollte ich heute nicht gehen. Besuche am Sonntage sind nicht stilvoll. Aber ich ging um zwei Uhr schon aus. Der Tag war sehr hell – blitzblank, wie in Sonntagskleidern. In den Straßen roch es nach den Sonntagsbraten, die durch die geöffneten Fenster herausdampften. Die große Allee war noch einsam. Hie und da ein geputztes

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/206&oldid=- (Version vom 31.7.2018)