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unveränderlich sind, es waren die sogenannten edlen Metalle; die Mehrzahl der andern verliert im Feuer den Glanz und die Dehnbarkeit; es waren dies die unedlen Metalle; ausser diesen unterschied man noch die unvollkommenen, oder sogenannten Halbmetalle.

Dem Metallglanz nach konnte damals der Bleiglanz, der Schwefelkies nicht von den Metallen getrennt werden; der Bleiglanz stand dem Blei, der Schwefelkies dem Gold in der Farbe nahe. Aus dem Bleiglanz und dem Schwefelkies konnte Schwefel ausgetrieben werden, aus dem ersteren erhielt man ohne Aenderung der Farbe und des Glanzes metallisches, dehnbares, schmelzbares Blei; was war natürlicher als zu glauben, dass der Schwefel ein Bestandtheil der Metalle sei, durch dessen Verhältniss ihre Eigenschaften bedingt seien. Durch Austreiben von Schwefel wurde der Bleiglanz in Blei verwandelt, war es nicht wahrscheinlich, dass durch Entfernung von etwas mehr Schwefel eine noch grössere Veredlung des Bleies bewirkt werden könnte?

In der That erhielt man aus dem Blei, indem man es einer weiteren Behandlung im Feuer aussetzte (durch das Abtreiben), eine gewisse Menge Silber, aus dem Silber schied man Gold. Die Alchemie betrachtete diese Scheidungen als Erzeugungen, das Blei, Silber und Gold als Producte ihrer Processe. War es nicht wahrscheinlich, dass durch Vervollkommnung der Processe alles Blei im Bleiglanz in Silber, alles Silber in Gold umgewandelt werden könnte? Die Erfahrung hatte bewiesen, dass durch eine jede Verbesserung des Verfahrens mehr Blei, mehr Silber, mehr Gold aus derselben Menge Bleiglanz genommen werde.

Die Verdampfbarkeit des Quecksilbers war bekannt; was war natürlicher, als vorauszusetzen, dass der Verlust der metallischen Eigenschaften bei der Verkalkung der unvollkommenen Metalle durch das Feuer, dass das Rosten derselben auf einer Entweichung von einer Art Mercur beruhe?

Noch heute setzt die gewöhnliche Erfahrung in vielen Stoffen, welche eine Farbe besitzen, einen Farbestoff voraus; die rothe Farbe des Rubins, die grüne des Smaragds, die blaue des Sapphirs beruht auf ähnlichen Ursachen wie die Farbe der gefärbten Zeuge. Das weiche Eisen kann durch eine kleine Beimischung eines fremden Körpers hart, das harte Roheisen durch eine gewisse Behandlung weich und dehnbar gemacht werden; das rothe Kupfer kann durch Behandlung mit Galmei eine dem Golde ähnliche Farbe erhalten, dasselbe Metall durch Arsenik silberweiss erhalten werden; das Gold erhält durch Erhitzen mit Salmiak eine rothgelbe Farbe, durch Borax wird es bleich; in gewöhnlicher Tinte (welche Kupfervitriol enthält) verwandeln unsere Kinder noch heute das Eisen in Kupfer, indem jenes für die Wahrnehmung verschwindet; aus dem Sand gewisser Flüsse erhielt man Gold, aus rothem Lehm mit Oel geglüht bekam man Eisen.

Was war dem unerfahrenen Geiste natürlicher, als zu glauben, dass die Eigenschaften der Metalle von Dingen, von gewissen Bestandtheilen herrühren, dass durch Entziehung oder Hinzuführung von gewissen Stoffen das Blei oder Kupfer die Eigenschaften des Silbers oder Goldes erlangen könne? Die unvollkommene Tinctur gab die Farbe, eine vollkommenere konnte die fehlenden Eigenschaften geben!

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_028.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)