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– zur Fabrikation des Leims aus Knochen, welche im Durchschnitt 30 bis 36 Procent davon enthalten. Knochenerde (phosphorsaurer Kalk) und Leim sind die Bestandtheile der Knochen; die erstere ist in schwacher Salzsäure leicht löslich, der Leim wird davon nicht merklich angegriffen. Man lässt die Knochen in schwacher Salzsäure so lange stehen, bis sie durchscheinend und biegsam wie das geschmeidigste Leder werden; von aller anhängenden Salzsäure durch sorgfältiges Waschen mit Wasser und Kalkwasser befreit, hat man jetzt Stücke Leim von der Form der Knochen, die, ohne weiteres in heissem Wasser gelöst, zu allen Anwendungen tauglich sind.

Das Hauptproduct der Zersetzung des Kochsalzes durch Schwefelsäure ist, wie früher bemerkt, dass von Glauber zuerst dargestellte und nach ihm benannte schwefelsaure Natron. Durch Schmelzung mit kohlensaurem Kalk unter Zusatz von Kohle erhält man damit die rohe Soda, ein Gemenge von kohlensaurem Natron und Aetznatron mit Schwefelcalcium und Kalk, die sich durch Auslaugung mit Wasser trennen lassen. Beim Einkochen der Lauge erhält man weisses Sodasalz, welches in diesem Zustande im Handel vorkommt und für die Seifen- und Glasfabrikation verwendet wird. Eine grosse, vielleicht die grösste Masse Glas wird übrigens unmittelbar aus Glaubersalz und mit um so grösserem Vortheil bereitet, da der ganze Umwandlungsprocess desselben in kohlensaures Natron damit erspart wird.

Das Fenster-, Spiegel- und Hohlglas werden durch Zusammenschmelzen von Kieselsäure (Sand, Quarzsand) mit kohlensaurem Kalk und kohlensaurem oder schwefelsaurem Natron oder Kali (kohlensaurem) bereitet. In der Schmelzhitze wird die Kohlensäure durch die Kieselsäure ausgetrieben; bei Anwendung von schwefelsaurem Natron setzt man etwas Kohle zu, durch deren Wirkung die Schwefelsäure in schweflige Säure, in eine Säure, welche eine weit geringere Verwandtschaft zum Natron hat, umgewandelt wird. Alle diese Gläser bestehen hiernach aus zwei Silikaten (Kieselsäure-Verbindungen), aus dem Silikat einer alkalischen Erde (Kalk) und dem Silikat eines Alkali’s (Natron oder Kali). Die Silikate von Kali oder Natron geben für sich allein kein eigentliches Glas, sie werden vom Wasser aufgelöst und zersetzt; erst wenn sie mit einem Kalksilikate in einem gewissen Verhältnisse zusammengeschmolzen sind, entsteht das eigentliche Glas, welches dem Einfluss der Witterung widerstehen soll und durch schwache Säuren und durch Feuchtigkeit nicht angegriffen werden darf. Die feinen weissen böhmischen Hohlgläser bestehen aus einem Kalk-Kali-Silikate, die Kalk-Natron-Gläser sind immer etwas grünlich oder bläulich gefärbt; das Krystallglas enthält anstatt Kalk Bleioxyd. Stets machen die Alkalien in diesen Gläsern dem Gewicht nach den kleinsten Theil aus.

Da Kali und Natron, wenn beide neben Kalk zusammen angewendet werden, weit schmelzbarere Gläser geben als jedes für sich allein, so hat man für manche Gläser einen Vortheil darin gefunden, in dem Glassatz für Natronglas einen Theil des Natrons durch eine gewisse Quantität Kali zu ersetzen, wodurch der schmelzende Glasfluss die Eigenschaft erlangt, bei der gewöhnlichen Schmelztemperatur eine grössere Menge

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_091.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)