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holländischen, Schweizer und besseren französischen Käsesorten ist der Käsestoff zum grössten Theil unverändert vorhanden, ihr Geruch und Geschmack rühren von der zersetzten Butter her. Die Margarin- und Oelsäure, die nicht flüchtigen, die Buttersäure, Caprin- und Capronsäure, die flüchtigen Säuren der Butter, werden in Folge der Zersetzung des Oelzuckers frei.

Die flüchtigen Säuren ertheilen dem Käse seinen eigentlichen Käsegeruch, die Verschiedenheit seines stechenden aromatischen Geschmacks ist von dem Verhältniss der frei vorhandenen Buttersäure, Caprin- und Capronsäure abhängig.

Der Uebergang des Käsestoffs aus dem unlöslichen in den löslichen Zustand beruht auf der Zersetzung des phosphorsauren Kalkes durch die Margarinsäure der Butter; es entsteht margarinsaurer Kalk, während die Phosphorsäure mit dem Käsestoff sich zu einer in Wasser löslichen Verbindung vereinigt.

In den schlechteren Käsesorten, namentlich den magern Käsen, rührt der Geruch von schwefel- und ammoniakhaltigen, übelriechenden Producten her, die sich durch die Zersetzung (Fäulniss) des Käsestoffs bilden. Die Uebertragung der eintretenden Veränderung, welche die Butter (in dem Verwesungsprocess, den man in diesem Falle das Ranzigwerden nennt), oder der noch vorhandene Milchzucker erfährt, auf den Käsestoff, verändert, wie sich von selbst versteht, mit der Zusammensetzung seine Nahrhaftigkeit und Ernährungsfähigkeit; eine sorgfältige Entfernung des Milchzuckers (der Molken) und eine niedrige Temperatur während der Zeit des sogenannten Reifens sind, die übrigen als gegeben vorausgesetzt, die Hauptbedingungen zur Bereitung edler Käsesorten [1].

Der Unterschied im Geschmack und Geruch der verschiedenen Käsesorten hängt von der Methode der Darstellung, von dem Zustande des Labs, dem Salzzusatz und den atmosphärischen Bedingungen während der ganzen Dauer der Behandlung ab; gewiss ist, dass die von den Thieren genossenen, namentlich aromatischen Pflanzen nicht ganz ohne Einfluss auf die Qualität des Käses sind; aber dieser Einfluss ist höchst untergeordnet. Die Milch der Kuh ist im Frühling, Sommer und Herbst höchst ungleich in ihrer Zusammensetzung, was in den daraus in einer Gegend bereiteten Käsen keine in die Augen fallende Verschiedenheit zur Folge hat. Die nämliche Fläche könnte in verschiedenen Zeiten keinen Käse von gleicher oder ähnlicher Beschaffenheit liefern, wenn die Verschiedenheit der Pflanzen wirklich hierbei in Betracht käme, eben weil die Entwickelung und Blüthe der Pflanzen, von denen die Milch stammt, einer verschiedenen Jahreszeit angehörte. Das ganze Fabrikationsverfahren

  1. Die Qualität des so vorzüglichen, aus Schafmilch bereiteten Roquefort-Käses hängt ausschliesslich von den Räumen ab, in denen die gepressten Käse während der Zeit des Reifens aufbewahrt werden; es sind dies mit Gebirgsgrotten oder Spalten in Verbindung stehende Keller, die durch Luftströme aus den Spalten des Gebirgs sehr kühl (5 bis 6 Grad) erhalten werden. Je nach ihrer Temperatur haben diese Keller einen höchst ungleichen Werth. Giron (Ann. de chimie et de phys. XLV. p. 371) führt an, dass ein Keller, dessen Construction nicht über zwölftausend Franken gekostet hatte, zu zweimalhundertfünfzehntausend Franken verkauft worden. Dieser Preis dürfte wohl als ganz entscheidend für den Einfluss angesehen werden können, den die Temperatur auf die Qualität der Käse hat.
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_143.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)