Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 218.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


und Lunge in der Form von kohlensaurem Gas. Zur Verwandlung in kohlensaures Gas bedürfen diese 27 8/10 Loth Kohlenstoff 74 Loth Sauerstoff. Nach den analytischen Bestimmungen von Boussingault (Ann. de chim. et de phys. LXX. 1, pag. 136) verzehrt ein Pferd in 24 Stunden 158¾ Loth Kohlenstoff, eine milchgebende Kuh 141½ Loth, ein Schwein, das mit Kartoffeln gefüttert wurde, 43 Loth. Die hier angeführten Kohlenstoffmengen sind als Kohlensäure aus ihrem Körper getreten; das Pferd hat in 24 Stunden für die Ueberführung des Kohlenstoffs in Kohlensäure 13 7/32 Pfund und die Kuh 11⅔ Pfund Sauerstoff verbraucht. Da kein Theil des aufgenommenen Sauerstoffs in einer anderen Form als in der einer Kohlen- oder Wasserstoffverbindung wieder aus dem Körper tritt, da ferner bei normalem Gesundheitszustande der ausgetretene Kohlen- und Wasserstoff wieder ersetzt wird durch Kohlen- und Wasserstoff, den wir in den Speisen zuführen, so ist klar, dass die Menge von Nahrung, welche der thierische Organismus zu seiner Erhaltung bedarf, in geradem Verhältniss zu dem aufgenommenen Sauerstoff steht.

Zwei Thiere, die in gleichen Zeiten ungleiche Mengen von Sauerstoff durch Haut und Lunge in sich aufnehmen, verzehren in einem ähnlichen Verhältniss ein ungleiches Gewicht von der nämlichen Speise.

In gleichen Zeiten ist der Sauerstoffverbrauch ausdrückbar durch die Anzahl der Athemzüge; es ist klar, dass bei einem und demselben Thiere die Menge der zu geniessenden Nahrung wechselt je nach der Stärke und Anzahl der Athemzüge.

Ein Kind, dessen Respirationswerkzeuge sich in grösserer Thätigkeit befinden, muss häufiger und verhältnissmässig mehr Nahrung zu sich nehmen als ein Erwachsener, es kann den Hunger weniger leicht ertragen. Ein Vogel stirbt bei Mangel an Nahrung den dritten Tag; eine Schlange, die in einer Stunde, unter einer Glasglocke athmend, kaum so viel Sauerstoff verzehrt, dass die davon erzeugte Kohlensäure wahrnehmbar ist, lebt drei Monate und länger ohne Nahrung.

Im Zustand der Ruhe beträgt die Anzahl der Athemzüge weniger als im Zustand der Bewegung und Arbeit. Die Menge der in beiden Zuständen nothwendigen Nahrung muss in dem nämlichen Verhältniss stehen.

Ein Ueberfluss von Nahrung und Mangel an eingeathmetem Sauerstoff (an Bewegung), so wie starke Bewegung (die zu einem grösseren Maass von Nahrung zwingt) und schwache Verdauungsorgane sind unverträglich mit einander.

Die Menge des Sauerstoffs, welche ein Thier durch die Lunge aufnimmt, ist aber nicht allein abhängig von der Anzahl der Athemzüge, sondern auch von der Grösse und dem Umfang der Lungen und von der Schnelligkeit, mit welcher das Blut seinen Ort wechselt; die Anzahl der Pulsschläge in einer gegebenen Zeit giebt ein ziemlich genaues Maass für die Geschwindigkeit ab, mit welcher das Blut durch die Lungen strömt, obwohl damit die Menge des zufliessenden Blutes, welche von der Grösse oder dem inneren Raume der Herzkammer abhängig ist, nicht gemessen

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_218.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)