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Organismus, die stinkenden Bestandtheile der Fäces sind der durch den Mastdarm von dem Blute abgesonderte Russ, der Harn enthält die in Wasser, alkalischen oder sauren Flüssigkeiten löslichen Bestandtheile des Rauches. Die Ansicht, dass die Fäces aus Stoffen bestehen, die sich in Fäulniss befinden, und dass sie ihren Geruch diesem Zustande verdanken, ist vollkommen irrig; hierüber angestellte Versuche beweisen, dass die Fäces der Kuh, des Pferdes, des Schafes und die von gesunden Menschen sich nicht in Fäulniss befinden; kein faulender Stoff besitzt einen diesen Ausleerungen ähnlichen Geruch und alle diese Riechstoffe lassen sich in ihrer ganzen ekelerregenden Eigenthümlichkeit künstlich durch Oxydationsprocesse aus Albumin, Fibrin etc. hervorbringen. Der Pferde- und Kuhharn enthält zuletzt eine Substanz in beträchtlicher Menge, welche durch Einwirkung von Säuren einen pechartigen, dem Theer in seiner äusseren Beschaffenheit ganz gleichen Körper und als bemerkenswerthestes Product den Hauptbestandtheil des gewöhnlichen Holztheers und Kreosots, Carbolsäure oder Phenylhydrat liefert.

Durch das gleichzeitige und harmonische Zusammenwirken der Hauptorgane der Secretion wird das Blut in der zu dem Ernährungsprocess geeigneten Mischung und Reinheit erhalten; das Vielessen, welches in allen Gegenden der Erde mit Neigung geübt wird, ist einer Ueberladung des Heerdes mit Brennmaterial gleich; in dem Körper vollkommen gesunder Individuen bringt ein kleiner Ueberschuss von Stoffen, welche von dem Magen aus in die Blutcirculation gelangen, demohngeachtet keine Störung in den Lebensfunctionen hervor, weil der Theil derselben, welchen in einer gegebenen Zeit der Athmungsprocess nicht verbraucht, mehr oder weniger verändert durch den Mastdarm oder die Nieren aus dem Körper entfernt wird. Der Mastdarm und die Nieren unterstützen sich in dieser Verrichtung gegenseitig. Wenn in Folge der Ueberladung des Blutes und damit eines Mangels an Sauerstoff der Harn durch ein Uebermass von unverbrannten organischen Stoffen dunkel gefärbt und (durch Harnsäure) trübe wird, so ist dies häufig ein Merkzeichen der mangelnden Thätigkeit des Mastdarms, und in diesem Fall stellt in der Regel ein einfaches Purgirmittel, durch dessen Wirkung die unvollkommen oxydirten Stoffe aus dem Blute entfernt werden, das gestörte Verhältniss zum eingeathmeten Sauerstoff wieder her, der Harn erlangt seine gewöhnliche Durchsichtigkeit und Farbe wieder. (Prout.)

Die Lunge ist an sich ein passives Organ; der in derselben vorgehende Hauptprocess wird nicht wie in den Drüsen und Secretionsorganen durch eine innere, sondern durch eine äussere Ursache bedingt, in ihr selbst fehlt die mächtige Thätigkeit, welche in anderen Organen äusseren Störungen entgegenwirkt und sie aufhebt. Das blosse Einathmen von Staub (von organischen oder unorganischen festen Theilen) bedingt organische Absätze in dem Gewebe der Lunge, welche in ganz gleicher Weise durch innere Ursachen sich erzeugen. Rauch und Russ häufen sich in der Lunge oder den Geweben in der Form abnormer Gebilde an in allen Fällen, wo die normalen Verrichtungen des Darms und der Nieren durch Krankheitsursachen gehemmt oder unterdrückt sind.

Zwischen der Lunge und Leber beobachten wir ein ganz ähnliches Verhältniss der Abhängigkeit. In den niederen Thieren wie im Fötus

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_225.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)