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von denselben nöthig ist, um eine gegebene Menge Sauerstoff in Kohlensäure und Wasser zu verwandeln, oder annäherungsweise, wie viel man von denselben geniessen muss, um bei demselben Sauerstoffverbrauch gleiche Zeiten hindurch den Körper auf einerlei Temperatur zu erhalten.

100 Fett,
240 Stärkmehl,
249 Rohrzucker,
263 Traubenzucker, Milchzucker,
266 Branntwein von 50 Procent Alkoholgehalt,
770 frisches fettloses Muskelfleisch.

Es ist hiernach einleuchtend, dass ein Pfund Fett in Beziehung auf den Athmungsprocess dasselbe leistet, wie 2⅖ Pfund Stärkmehl oder wie 2½ Pfund Rohrzucker oder wie 7 7/10 Pfund Muskelfaser.

Das Fett ist unter allen das beste, die Muskelfaser erscheint als das schlechteste Respirationsmittel. Bei der Berechnung des Respirationswerthes der Muskelfaser ist angenommen worden, dass das genossene Muskelfleisch im Leibe in Harnstoff, Kohlensäure und Wasser verwandelt werde. Diese Voraussetzung ist nur zu einem Theile wahr; denn in dem Harn und den Absonderungen des Darmcanals in den Fäces treten noch andere Stickstoffverbindungen aus, welche ein weit grösseres Verhältniss von Kohlenstoff wie der Harnstoff enthalten; der in der Form einer Stickstoffverbindung austretende Kohlenstoff nimmt jedenfalls an der Wärmeerzeugung im Körper nur einen sehr geringen Antheil.

Die plastischen Nahrungsstoffe enthalten Stickstoff und Kohlenstoff im Verhältniss wie 1:8 Aeq.; enthielte der Harn nur Harnstoff, so würde der Harn in der Analyse auf 1 Aeq. Stickstoff nur 1 Aeq. Kohlenstoff liefern dürfen; aber in seinen Versuchen über den Ernährungsprocess des Pferdes und der Kuh erhielt Boussingault in dem Pferdeharn Stickstoff und Kohlenstoff im Verhältniss wie 1:6,6, im Kuhharn das Verhältniss wie 1:16 [1]. (Ann. de chim. et de phys. LXXI. p. 122.) Die Excremente eines Schweines (Harn und Fäces zusammengenommen), welches Kartoffeln als Futter erhalten hatte, enthielten, nach Abrechnung der Holzfaser der Kartoffeln, Stickstoff und Kohlenstoff im Verhältniss von 1:10. Auf diese Thatsachen liesse sich vielleicht der Schluss begründen, dass die brennbaren Elemente der plastischen Nahrungsmittel bei vielen Thieren entweder gar nicht oder nur zu einem sehr kleinen Theil durch Haut und Lunge aus dem Körper treten, und dass ihnen an der Erzeugung der thierischen Wärme kaum ein Antheil beigemessen werden kann.

  1. In besonders zu diesem Zwecke hier angestellten Analysen wurde im Pferdeharn auf 1 Aeq. Stickstoff 5 Aeq., im Kuhharn 8 Aeq., im Menschenharn 1,8 Aeq. Kohlenstoff gefunden.
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_260.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)