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Durch seinen Gehalt an empyreumatischen Substanzen erhält der Kaffee die Eigenschaft, diejenigen Processe der Auflösung und Zersetzung, welche durch Fermente eingeleitet und im Gang erhalten werden, aufzuheben; man weiss, dass alle brenzlichen Stoffe der Gährung und Fäulniss entgegenwirken und dass z. B. geräuchertes Fleisch weniger verdaulich als blos gesalzenes ist. Personen mit schwachen oder empfindlichen Verdauungswerkzeugen werden mit einiger Aufmerksamkeit leicht gewahr, dass eine Tasse starken Kaffee’s nach Tisch die Verdauung augenblicklich aufhebt; erst wenn die Aufsaugung und Entfernung desselben stattgefunden hat, spürt man wieder Erleichterung; für starke Verdauungswerkzeuge, welche für dergleichen Wirkungen keine Reagentien sind, dient der Kaffee nach dem Essen aus demselben Grunde, um die durch Wein und Gewürze über eine gewisse Grenze hinaus erhöhte Thätigkeit zu mässigen. Diese hemmenden Wirkungen auf die Verdauung besitzt der Thee nicht; er erhöht im Gegentheil die peristaltischen Bewegungen der Eingeweide, was nach Genuss von starkem Thee, namentlich nüchtern durch Brechreiz sich zu erkennen giebt[1].

Es ist bereits früher hervorgehoben worden, dass der tägliche Verbrauch von Respirationsmitteln an Quantität das Fünf- bis Sechsfache von dem Gewicht der plastischen Stoffe beträgt, und es wird in Hungerjahren der Mangel der ersteren vorzugsweise und am empfindlichsten in allen Volksclassen gefühlt. Während der Preis des Fettes, der Butter mit dem Kornpreis steigt, und die Kartoffeln verhältnissmässig einen höheren Preis als Korn gewinnen, bleibt der Preis des Fleisches in der Regel derselbe, wie in wohlfeilen Jahren. Ein Grund hiervon ist, dass das Brod das Fleisch ersetzten kann, aber für die Bedürfnisse des Menschen nicht ebenso vollständig ersetzbar ist durch Fleisch[2]. Ein anderer

  1. Nach Dr. Julius Lehmann’s Untersuchungen (Ann. d. Ch. u. Ph. B. 88 S. 250) vermindert der Kaffeegenuss die Absonderung des Harnstoffs und übt demnach eine Wirkung auf den Stoffwechsel aus, welche die entgegengesetzte von der des Weins ist.
  2. Bei Gelegenheit der Beschreibung seines Aufenthaltes in den Pampas erwähnt Darwin in seinem unvergleichlichen Werke, welches eine Fülle der schönsten Beobachtungen enthält: Wir konnten hier (Tapalguen 17. Sept.) etwas Zwieback kaufen. Ich hatte seit mehreren Tagen nichts als Fleisch gegessen, fühlte mich aber ganz wohl bei dieser Nahrung, merkte indessen, dass es nur zu einer sehr thätigen Lebensweise passen möchte; ich habe gehört, dass Kranke in England, die man ganz auf animalische Nahrung gesetzt hatte, diese selbst mit der Hoffung der Gesundheit vor Augen nicht ertragen konnten. Und doch berühren die Gauchos in den Pampas Monate lang nichts als Rindfleisch. Aber ich muss bemerken, dass sie eine sehr grosse Menge Fett essen; sie verschmähen auch besonders mageres trockenes Fleisch, wie das des Aguti. (Naturwissenschaftliche Reisen etc. von Ch. Darwin. Deutsch von D. C. Dieffenbach. Braunschweig bei Fr. Vieweg und Sohn. 1844.)

    Homer versäumt keine Gelegenheit, wenn er die Mahlzeiten und Schmäuse seiner Helden beschreibt, dem „blühenden“ Fett des Schweinerückens die geziemende Lobrede zu halten.

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_311.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)