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der Pflugschar, der Egge durch die Erde, dass die Berührung des Eisens dem Boden wie durch einen Zauber Fruchtbarkeit ertheilt? Niemand wird diese Meinung hegen, und dennoch ist diese Frage in der Agricultur noch nicht gelöst; gewiss ist es beim sorgfältigen Pflügen nur die weit getriebene mechanische Zertheilung und Mischung, der Wechsel, die Vergrösserung und Erneuerung der Oberfläche, durch welche der günstige Einfluss ausgeübt wird, aber die mechanische Operation ist nur Mittel zum Zweck.

Unter den Wirkungen der Zeit (im Besonderen in der Landwirthschaft dem Brachliegen, dem Ausruhen des Feldes) begreift man in der Naturwissenschaft gewisse chemische Actionen, welche unausgesetzt ausgeübt werden durch die Bestandtheile der Atmosphäre auf die Oberfläche der festen Erdrinde. Es ist die Kohlensäure, der Sauerstoff der Luft, die Feuchtigkeit des Regenwassers, durch deren Einwirkung gewisse Bestandtheile der Fels- und Gebirgsarten oder ihrer Trümmer, welche die Ackererde bilden, die Fähigkeit empfangen, sich im Wasser zu lösen, und im Boden zu verbreiten.

Man weiss, dass diese chemischen Actionen den Begriff von dem Zahn der Zeit in sich fassen, welcher die Werke der Menschen vernichtet und die härtesten Felsen nach und nach in Staub verwandelt. Durch ihren Einfluss werden in der Ackererde gewisse Bestandtheile des Bodens durch die Pflanzen assimilirbar, und es ist nun gerade dieser Zweck, welcher durch die mechanischen Operationen des Feldbaues vermittelt werden soll. Sie sollen die Pflanzennahrungsstoffe löslich und verbreitbar machen und damit einer neuen Generation von Pflanzen die ihr nöthigen Bodenbestandtheile allerorts in dem zur Aufnahme geeigneten Zustande darbieten. Es ist einleuchtend, dass die Schnelligkeit der Aufschliessung eines festen Körpers zunehmen muss mit seiner Oberfläche; je mehr Punkte wir in der gegebenen Zeit dem einwirkenden Körper darbieten, desto rascher wird die Verbindung vor sich gehen.

Um in der Analyse ein Mineral aufzuschliessen, um seinen Bestandtheilen Löslichkeit zu geben, verfährt der Chemiker wie der Landwirth mit seinem Acker; er muss sich der ermüdendsten, langweiligsten und sehr schwierigen Operation der Verwandlung desselben in das feinste Pulver hingeben; durch Schlämmen scheidet er den feinsten Staub von den gröbern Theilen ab, er setzt seine Geduld auf alle möglichen Proben, weil er weiss, die Aufschliessung ist nicht vollkommen, seine ganze Operation misslingt, wenn er in der Vorbereitung minder aufmerksam verfährt.

Welchen Einfluss die Vergrösserung der Oberfläche eines Steins auf seine Verwitterbarkeit ausübt, auf die Veränderungen nämlich, die er durch die chemische Thätigkeit der Bestandtheile der Atmosphäre und des Wassers erfährt, lässt sich in den Goldbergwerken zu Yaquil in Chili, welche Darwin auf eine so interessante Weise beschreibt, in einem grossen Massstab beobachten. Das goldführende Gestein wird auf Mühlen in das feinste Pulver verwandelt und die leichteren Steintheile von den Metalltheilen durch einen Schlämmprocess geschieden. Durch den Wasserstrom werden die Steintheilchen hinweggeführt, die Goldtheilchen fallen zu Boden. Der abfliessende Schlamm wird in Teiche geleitet, wo er in Ruhe sich wieder absetzt. Wenn der Teich sich nach und nach damit anfüllt, wird

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_325.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)