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dem Körper nicht verwendete phosphorsaure Kalk und Bittererde ausgeleert; es sind dies Salze, welche sich im Wasser, d. h. im Harne, nicht lösen.

Ohne weitere Untersuchung wird man sich eine klare Vorstellung über die chemische Beschaffenheit der festen Excremente machen können, wenn wir die Fäces eines Hundes mit seiner Nahrung vergleichen. Wir geben dem Hunde Fleisch und Knochen, beide sind reich an stickstoffhaltigen Stoffen, und wir erhalten als letztes Resultat der Verdauung ein völlig weisses mit Feuchtigkeit durchdrungenes Excrement, das in der Luft zu einem trockenen Pulver zerfällt und das neben dem phosphorsauren Kalk der Knochen kaum ein Procent einer fremden organischen Substanz enthält. In den flüssigen und festen Excrementen der Menschen und Thiere erhalten wir also allen Stickstoff, alle löslichen und unlöslichen anorganischen Bestandtheile der genossenen Nahrung, und da diese letzteren von unseren Aeckern stammen, so haben wir folglich darin die Bestandtheile der Ackererde, die wir in der Form von Samen, Wurzeln und Kraut hinweggenommen haben.

Ein Theil der Ernte wurde zur Ernährung, zur Mästung von Thieren verwendet, welche von den Menschen verzehrt werden, ein anderer Theil wurde von den Menschen direct in der Form von Mehl, Kartoffeln, Gemüse verbraucht, ein dritter Theil besteht aus den nicht verzehrten Pflanzenüberresten, welche in der Form von Stroh zu Streu verwendet werden. Es ist klar, wir sind im Stande, alle Bestandtheile unserer Aecker, die wir in der Form von Thieren, Korn und Früchten ausgeführt haben, in den flüssigen und festen Excrementen der Menschen, in den Knochen und dem Blute der geschlachteten Thiere wieder zu gewinnen; es hängt nur von uns ab, durch die sorgfältige Sammlung derselben das Gleichgewicht in der Zusammensetzung unserer Aecker wieder herzustellen. Wir können berechnen, wie viel an Bodenbestandtheilen wir in einem Schaf, einem Ochsen, wie viel wir in einem Malter Gerste, Weizen oder Kartoffeln ausführen, und aus der bekannten Zusammensetzung der Fäces des Menschen lässt sich ermitteln, wie viel davon wir hinzuzuführen haben, um den Verlust, den unsere Aecker erlitten haben, wieder auszugleichen.

Es ist gewiss, dass wir die Excremente der Thiere und Menschen entbehren können, wenn wir im Stande sind, aus anderen Quellen uns die Stoffe zu verschaffen, durch die sie allein Werth für die Agricultur besitzen. Ob wir das Ammoniak in der Form von Urin oder in der Form eines aus Steinkohlentheer erhaltenen Salzes, ob wir den phosphorsauren Kalk in der Form von Knochen oder Apatit zuführen, ist für den Zweck ganz gleichgültig[1]. Die Hauptaufgabe der Agricultur

  1. Als Dr. Charles Daubeny (Professor in Oxford, bekannt durch sein ausgezeichnetes Werk über Vulkane) sich von der Bedeutung und Wichtigkeit des phosphorsauren Kalks für das Pflanzenleben durch eine Reihe von eignen Versuchen überzeugt hatte, da richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die ausgedehnte Formation phosphorsauren Kalkes, welche nach den Zeugnissen angesehener mineralogischer Schriftsteller an einigen Stellen der spanischen Provinz Estremadura vorkommen sollte, und er nahm seinen Wanderstab und pilgerte in Gesellschaft des Kapitän Widdrington nach diesem Lande, um sich zu überzeugen, „ob die Lage des fraglichen Minerals geeignet sei, die englischen Felder mit phosphorsaurem Kalk zu versorgen, wenn andere Bezugsquellen versiegen sollten.“ Ich erwähne dies als eines der zahlreichen Beispiele des Gefühls der Engländer für die Wohlfahrt ihres Landes und weil eine solche Hingebung ohne Aufforderung und ohne Aussicht auf eine Belohnung von Seiten der Regierung und Nation in andern Ländern so selten ist.

    Wir verdanken dieser Reise einen authentischen Bericht über das Vorkommen dieses werthvollen Minerals, welches in Estremadura in der Nähe von Logrosan, sieben Meilen von Truxillo, eine Ader von 7 bis 16 Fuss Breite und mehreren Meilen Länge bildet. Es ist dies einer von den Schätzen, an denen Spanien so reich ist, hinreichend vielleicht, um in einer nicht fernen Zukunft einen Theil der Staatsschuld dieses Landes zu bezahlen. Es ist wahrhaft zu beklagen, dass die seiner Zeit projectirten Eisenbahnen, welche in einem Kreuz, mit Madrid im Mittelpunkte, Portugal mit Frankreich und Madrid mit den beiden Meeren verbinden sollten, nicht in Ausführung gekommen sind. Diese Eisenbahnen würden Spanien zum reichsten Land Europa’s machen.

    Bei Ostheim in der Wetterau ist vor mehreren Jahren von Dr. Bromeis ein sechs Zoll mächtiges Lager von phosphorsaurem Kalk (Osteolith) im zersetzten Dolerit entdeckt worden; der Osteolith ist schneeweiss, abfärbend wie Kreide und enthält 86 Procent reinen phosphorsauren Kalk.

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_332.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)