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einer Düngung mit Knochenmehl, welches durch Schwefelsäure aufgeschlossen war, fand sich Halm an Halm französisches Raigras entwickelt; wo das Knochenmehl zufällig nicht hinkam, war kein Halm der genannten Grasart zu sehen.

In der Aufeinanderfolge und dem Wechsel sichert eine wunderbare Natureinrichtung das Fortbestehen der Gewächse, welche den Boden mit dauerndem Grün bekleiden und in der Cultur der jährigen Gewächse, welche die Nahrung der Menschen und Thiere liefern, unterordnet sich das Thun des Landwirthes in dem Wechsel einem höheren Gesetz.

Der Umkreis, aus welchem die perennirende Pflanze ihre Nahrung zieht, erweitert sich von Jahr zu Jahr; wenn ihre Wurzeln an einer Stelle nur wenig vorfinden, so empfängt sie ihren Bedarf von anderen, daran reicheren Stellen.

Die einjährige Pflanze verliert in jedem Jahr ihre Wurzeln, die perennirende behält ihre Wurzeln, bereit in jeder günstigen Zeit zur Aufnahme ihrer Nahrung; viele behalten ihren Stengel oder Stamm, in welchem sich der aufgenommene und nicht verbrauchte Theil der Nahrung für den künftigen Bedarf der Blätter und Knospen anhäuft; daher gedeihen auf einem verhältnissmässig armen Boden diese Gewächse mit Ueppigkeit, auf welchem einjährige Gewächse einer Zufuhr von Nahrung durch die Hand des Menschen bedürfen.

Einjährige Gewächse können auf die Dauer auf demselben Boden nicht einander folgen, ohne ihn zu erschöpfen, und es folgen in der Wechselwirthschaft am Vortheilhaftesten perennirende Pflanzen den einjährigen und umgekehrt.

Eine einjährige Pflanze ist um so unabhängiger von einer Zufuhr an atmosphärischen Nahrungsmitteln, jemehr sie sich in ihrem Verhalten den perennirenden nähert. So lange eine Pflanze frische Blätter treibt, behält sie und erhält sich ihr Vermögen, Kohlensäure und Ammoniak aus der Atmosphäre zu schöpfen und sie ist in der Zeit dieser Aufnahme um so weniger einer Zufuhr dieser Stoffe durch den Boden bedürftig.

Eine Erbsenpflanze, welche in derselben Zeit, wo ihre Samen reifen, frische Blätter und Blüthen treibt, nimmt und empfängt mehr verbrennliche Elemente aus der Atmosphäre, als die Kornpflanze, deren Blätter und grüne Stengel nach der Blüthe und mit dem Reifen der Samen abwelken und ihre Aufnahmsfähigkeit für die atmosphärische Nahrung verlieren.

Man versteht hiernach, warum die eine Pflanze durch Düngung zur richtigen Zeit mit organischen Stoffen, welche in ihrer Verwesung den Wurzeln Kohlensäure und Ammoniak zuführen, an Pflanzenmasse gewinnt und eine grössere Menge von Samen liefert als eine andere, deren Ertrag dadurch kaum erhöht wird.

Von einer gleichen Fläche Land erntet man in verschiedenen Culturgewächsen eine sehr ungleiche Menge von Blut und Fleischbestandtheilen oder von Stickstoff. Bezeichnet man die Stickstoffmenge, welche auf einem Felde in der Form von Korn und Stroh in Roggen geerntet wird, mit der Zahl 100, so erntet man auf derselben Fläche

im Hafer 114
im Weizen 118
in Erbsen 270
im Klee 390
in Turnips 470. [1]
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_379.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)