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Die Erbsen, Bohnen und Futtergewächse liefern hiernach in der landwirthschaftlichen Cultur mehr Stickstoff als die Getreidearten; die Erbsen und Bohnen liefern mehr wie doppelt, der Klee und die Turnipsrübe liefern drei bis viermal mehr Fleisch und Blutbestandtheile als der Weizen. Der Klee und die Rüben vermögen auf vielen Feldern diesen höheren Ertrag zu liefern, ohne im Dünger Stickstoff zu empfangen. Durch Asche kann dieser Ertrag bei dem Klee, durch schwefelsaure Knochenerde bei den Turnips noch gesteigert werden.

In der Cultur zeigt sich der stickstoffhaltige Dünger besonders nützlich für die Getreidepflanzen, obwohl auch das Wachsthum der Klee- und Wurzelgewächse auf vielen Feldern mächtig dadurch gesteigert wird; im Allgemeinen beweist das üppige Gedeihen der Futtergewächse auf Feldern, die keinen stickstoffhaltigen Dünger empfangen haben, dass die Nützlichkeit oder Nothwendigkeit dieser Dünger für die Getreidefelder nicht bedingt sein kann durch einen Mangel an Zufuhr von Stickstoff aus natürlichen Quellen, und nicht daraus erklärt werden kann, weil es den Getreidepflanzen an dieser Zufuhr gefehlt habe. Die über einem Klee- und Kornfeld schwebende Luftsäule bietet dem Korn eben so viele Kohlensäure- und Ammoniaktheilchen dar als dem Klee, und auf dem nämlichen Boden, auf welchem der Landwirth einen sehr geringen Ertrag an Stickstoff in Korn und Stroh hatte, wenn er eine Futterpflanze darauf baut, erntet er das Drei- und Vierfache an stickstoffhaltigen Bestandtheilen; die nämliche Quelle, woraus die Kleepflanze ihren Bedarf an Stickstoff schöpfte, stand auch der Kornpflanze offen, und wenn die Kleepflanze das Drei- bis Vierfache empfing, so konnte die Kornpflanze keinen Mangel daran haben. Es ist ganz sicher, dass ein Boden, welcher einen geringen Ertrag an Korn geliefert hat, nicht fruchtbarer wird für Korn, auch wenn demselben die reichlichsten Mengen Ammoniak zugeführt werden.

Der Grund des Nichtgedeihens des Korns muss demnach in anderen Verhältnissen liegen, und die nächstliegende Ursache muss in der Beschaffenheit des Bodens gesucht werden.

Auf der anderen Seite kann es nicht bezweifelt werden, dass zwei an den fixen Nahrungsmitteln der Gewächse gleich reiche Felder dennoch ungleich fruchtbar für Korngewächse sind, wenn das eine derselben mehr kohlenstoff- und stickstoffreiche organische Materien als das andere enthält; das hieran reichere liefert einen höheren Ertrag an Korn und Stroh; es ist ferner gewiss, dass von zwei Feldern, welche eine gleiche Zufuhr an fixen Nahrungsstoffen im Dünger empfangen haben, wenn das eine gleichzeitig, in organischen Materien, noch überdies eine Kohlensäure- und Ammoniakquelle empfängt und das andere nicht, dass dieses eine Feld einen höheren Ertrag an Korn im Allgemeinen liefert als das andere.

Diese Steigerung des Ertrags findet in diesen Verhältnissen statt für Kornpflanzen sowohl wie für andere jährige Gewächse, welche eine schwache Blattentwickelung und Wurzelverzweigung haben, und die Ursache

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_380.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)