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Pflanzen finden an allen diesen Stellen keine oder nur eine ungenügende Menge Nahrung vor; jede andere Stelle ist reicher daran.

Da die kleinsten Theilchen der Nahrung von selbst den Ort im Boden nicht verlassen, an welchem sie in der Ackerkrume festgehalten sind, so sieht man ein, welch’ einen ausserordentlichen Einfluss auf die Fruchtbarkeit des Landes oder die Ernteerträge die mechanische Bearbeitung des Bodens, seine sorgfältige Zertheilung und innige Mischung haben muss.

Dies ist unter allen Schwierigkeiten, welche der Landwirth zu überwinden hat, die grösste.

Wenn das Feld eine Ernte liefern soll, welche seinem vollen Gehalt an Nahrungsstoffen entsprechend ist, so gehört hierzu als nächste und wichtigste Bedingung, dass seine physikalische Beschaffenheit auch den feinsten Wurzeln gestatten muss, an die Orte zu gelangen, wo sich die Nahrung befindet; der Boden darf ihre Ausbreitung durch seinen Zusammenhang nicht hindern. Pflanzen mit feinen dünnen Wurzeln gedeihen in einem zähen schweren Boden nicht mehr, auch wenn er reich an mineralischer Nahrung ist, und es erklärt sich eine der vielerlei günstigen Wirkungen der Gründüngung und der Vorzug, den in manchen Fällen die Landwirthe dem frischen vor dem verrotteten Stallmist geben, auf eine sehr einfache Art.

Die mechanische Beschaffenheit des Feldes wird in der That durch das Unterpflügen von Pflanzen und Pflanzentheilen auf eine bemerkenswerthe Weise verändert. Ein zäher Boden verliert hierdurch seinen Zusammenhang, er wird mürbe und leicht zerdrückbar, mehr als durch das fleissige Pflügen. In einem Sandboden, dessen Theile keinen Zusammenhang haben, wird dadurch eine gewisse Bindung hergestellt. Jedes Hälmchen der untergepflügten Gründüngungspflanze öffnet, indem es verwest, den feinen Wurzeln der Getreidepflanze eine Thür und einen Weg, durch welche sie sich nach allen Richtungen im Boden verbreiten und ihre Nahrung holen kann. Der Boden empfängt ausser den verbrennlichen Bestandtheilen von der Gründüngungspflanze nichts, was er nicht schon vorher enthielt; ohne das Vorhandensein der nöthigen mineralischen Nahrungsstoffe würden diese für sich allein ohne alle Wirkung auf die Erhöhung des Ertrages sein.

Keiner von den drei wichtigsten Nahrungsstoffen der Pflanzen ist für sich in löslichem Zustand im Boden zugegen, und keines von allen Mitteln, welche der Landwirth gebraucht, um sie seinen Pflanzen nutzbar zu machen, nimmt der Ackerkrume das Vermögen sie festzuhalten, oder, wären sie gelöst, dieser Lösung zu entziehen. Alle diese Mittel dienen hauptsächlich nur, um sie in dem Boden gleichförmig zu verbreiten, und den Pflanzenwurzeln erreichbar zu machen.

Ein Hectar guter Weizenboden (= 1 Million Quadratdecimeter) liefert einen Mittelertrag von 2000 Ko. Korn und 5000 Ko. Stroh, beide zusammen enthalten 250 Millionen Milligramme (250 Ko.) Bodenbestandtheile. Jeder Quadratdecimeter (= 10,000 Quadratmillimeter) dieses Feldes giebt an die darauf wachsenden Pflanzen 250 Milligramme Aschenbestandtheile ab. In jedem Quadratmillimeter abwärts muss eine dem Bedarf jeder einzelnen Wurzelfaser entsprechende Menge Nahrung

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_388.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)