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Wenn die Weizenernte im ersten Jahre 250 Ko. Aschenbestandtheile entzog, und der Boden im Ganzen per Hectar auf 12 Zoll Tiefe hundertmal so viel enthielt (25,000 Ko.), so bleiben am Ende des dreissigsten Culturjahres 18,492 Ko. Nahrungsstoffe im Boden zurück.

Welches auch die durch klimatische Verhältnisse bedingten Abweichungen in den Ernte-Erträgen der dazwischen liegenden Jahre gewesen sein mögen, so sieht man ein, dass auf diesem Felde, in dem 31. Jahre, wenn kein Ersatz stattgefunden hat, im günstigsten Falle nur 185/250 = 0,74 oder etwas weniger als ¾ einer mittleren Ernte erzielt werden kann.

Wenn diese drei Viertel der mittleren Ernte dem Landwirth keinen hinlänglichen Ueberschuss in seiner Einnahme mehr verschaffen, wenn sie einfach seine Ausgaben decken, so heisst der Ertrag kein lohnender Ertrag. Von dem Felde sagt er alsdann, es sei erschöpft für die Weizencultur, obwohl es noch vierundsiebenzigmal mehr an Nahrungsstoffen enthält als eine mittlere Ernte jährlich bedarf; die ganze Summe hatte bewirkt, dass im ersten Jahre jede Wurzel in den Theilen des Bodens, mit denen sie in Berührung kam, die erforderliche Menge von Bodenbestandtheilen zu ihrer vollen Entwickelung vorfand, und die auf einander folgenden Ernten haben bewirkt, dass sich im 31. Jahre nur ¾ dieser Quantität in diesen Theilen davon vorfindet.

Ein für den Weizenbau erschöpftes Feld liefert lohnende Ernten von Roggen.

Eine mittlere Roggenernte (= 1600 Ko. Korn und 3800 Ko. Stroh) entzieht dem Boden per Hectar nur 180 Ko. Aschenbestandtheile. Unter gleichen Verhältnissen nimmt eine Roggenpflanze nur 180 Milligrammen vom Boden auf.

Wenn der Weizenboden, um eine mittlere Weizenernte zu liefern, 25,000 Ko von den Aschenbestandtheilen der Weizenpflanzen enthalten müsste, so ist ein Boden, welcher nur 18,000 Ko. derselben Bestandtheile enthält, reich genug für eine mittlere und eine Reihe von lohnenden Roggenernten.

Unserer Rechnung nach enthält ein für die Weizencultur erschöpftes Feld immer noch 18,492 Ko. Bodenbestandtheile, die ihrer Beschaffenheit nach identisch mit denen sind, welche die Roggenpflanze nöthig hat.

Fragt man nun, nach wie viel Jahren fortgesetzten Roggenbaues die mittlere Ernte auf eine Dreiviertelernte herabsinken wird, so ergiebt sich, wenn diese keine lohnende Ernte mehr ist, dass das Feld 28 lohnende Roggenernten liefern, und nach 28 Jahren für den Roggenbau erschöpft sein wird. Der im Boden bleibende Rest von Nahrungsstoffen beträgt immer noch 13,869 Ko. an Aschenbestandtheilen.

Ein Feld, welches keine lohnende Roggenernte mehr liefert, ist deshalb nicht unfruchtbar für die Haferpflanze.

Eine mittlere Haferernte (2000 Ko. Korn und 3000 Ko. Stroh) entzieht dem Boden 310 Ko. Aschenbestandtheile, 60 Ko. mehr als eine Weizenernte, und 130 Ko. mehr als eine Roggenernte.

Wenn die aufsaugende Wurzeloberfläche der Haferpflanze die nämliche wäre wie die der Roggenpflanze, so würde der Hafer nach Roggen keine lohnende Ernte mehr liefern können; denn ein Boden, der bei 13,869 Ko. Vorrath 310 Ko. für die Haferernte abgiebt, verliert hiermit

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_390.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)