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Korn erzeugt als zuvor, denn die Kornerzeugung hängt von dem Verhältniss der im Felde vorhandenen Menge von Aschenbestandtheilen ab, und diese sind nicht vermehrt worden, sie haben in Folge der Kornausfuhr stetig abgenommen. Durch die Zunahme von Stickstoff und verwesenden organischen Materien im Felde konnten die Erträge möglicherweise eine Reihe von Jahren hindurch gesteigert werden, allein der Zeitpunkt, wo dieses Feld keine lohnenden Ernten mehr liefert, tritt in diesem Fall um so früher ein.

Wenn wir von drei Weizenfeldern das eine mit Weizen, die beiden andern mit Kartoffeln und Klee bestellen, und allen geernteten Klee, alle Kartoffelknollen auf dem Weizenfelde anhäufen und unterpflügen, dem wir nur das Korn genommen, so ist dieses Weizenfeld jetzt fruchtbarer als zuvor, denn es ist um die ganze Summe von Bodenbestandtheilen reicher geworden, welche die beiden andern Felder an die Kartoffel- und die Kleepflanze abgegeben hatten, an Phosphorsäure empfing es dreimal, an Kali zwanzigmal mehr als das geerntete und ausgeführte Korn enthielt.

Dieses Weizenfeld wird in drei auf einander folgenden Jahren jetzt drei volle Kornernten liefern können, denn die Bedingungen zur Strohbildung sind ungeändert geblieben, während die der Kornerzeugung um das Dreifache vermehrt wurden. Wenn der Landwirth in dieser Weise in drei Jahren eben so viel Korn erzeugt als er ohne die Hinzuziehung und Mitwirkung der Bodenbestandtheile des Klees und der Kartoffeln auf denselben Feldern in fünf Jahren erzeugt haben würde, so ist offenbar sein Gewinn jetzt grösser geworden, denn mit drei Saatkörnern hat er eben so viel geerntet als in dem andern Fall mit fünf; aber was das Weizenfeld an Fruchtbarkeit gewonnen, haben die beiden andern Felder verloren, und das Endresultat ist, dass er mit Ersparung an Culturkosten und mit mehr Gewinn als vorher seine drei Felder der Periode der Erschöpfung entgegengeführt hat, der sie unabwendbar durch die bleibende Ausfuhr der Bodenbestandtheile im Korn verfallen müssen.

Der letzte Fall, den wir zu betrachten haben, ist, wenn der Landwirth anstatt Kartoffeln und Klee, Rüben und Luzerne baut, welche vermöge ihrer langen und tiefgehenden Wurzeln eine grosse Menge von Bodenbestandtheilen aus dem Untergrunde holen, den die grosse Mehrzahl der Wurzeln der Getreidepflanzen nicht erreicht. Wenn die Felder einen solchen Untergrund besitzen, welcher die Cultur dieser Gewächse gestattet, so stellt sich das Verhältniss etwa so, wie wenn sich die culturfähige Oberfläche verdoppelt hätte. Empfangen die Wurzeln dieser Pflanzen die eine Hälfte ihrer mineralischen Nahrungsmittel vom Untergrund und die andere von der Ackerkrume, so wird die letztere durch die Ernte nur halb so viel verlieren, als sie durch eben diese Pflanzen verloren haben würde, wenn sie alle von der Ackerkrume genommen worden wären.

Als ein von der Ackerkrume getrenntes Feld gedacht, giebt hiernach der Untergrund an die Rüben- und Luzernepflanzen eine gewisse Quantität von Bodenbestandtheilen ab, und wenn die ganze Rüben- und Luzerne-Ernte im Herbst auf dem Weizenfeld untergepflügt worden

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_397.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)