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das edelste Gewerbe aus Neigung betreiben und ihre Güter selbst verwalten, und niemand kann verständigerweise verlangen, dass diese Männer Rechenschaft ablegen sollen über Ansichten und Lehren, die sie nicht gemacht, sondern als Lernende einfach in sich aufgenommen haben.

Ein ganz anderes Verhältniss besteht zwischen der Wissenschaft und den Lehrern der praktischen Landwirthschaft, deren Competenz, in den vorliegenden wichtigen Fragen ein Urtheil abzugeben, nicht bestritten werden darf; von ihnen muss gebieterisch verlangt werden, dass sie mindestens von den Anfangsgründen der Chemie, Physik und Geologie so viel als in den Schulen gelehrt wird, in den Streit mitbringen, so dass kein Zweifel über ihre intellectuelle Fähigkeit, die Fragen, um die es sich handelt, richtig zu verstehen, aufkommen kann.

Die einfache Darlegung der Ansichten und Meinungen aus der neuesten Schrift eines der anerkannt tüchtigsten und einflussreichsten Lehrer der Landwirthschaft über die Zusammensetzung des Bodens, die Ursachen seiner Fruchtbarkeit und Erschöpfung und die Wirkung des Mistes, wird hinreichen sich hierüber ein Urtheil zu bilden. Diese Schrift ist ausdrücklich von ihrem Verfasser bestimmt, um die wissenschaftliche Lehre zu berichtigen und in Einklang mit den praktischen Erfahrungen zu bringen[1].

In der Anwendung seiner Theorie auf die Praxis stellt der Verfasser dieser Schrift als obersten Grundsatz auf, dass:

„der Gesammtboden (Ackerkrume und Untergrund) an denjenigen mineralischen Nahrungsstoffen, die er einmal von Natur habe, und die er den Pflanzen durch Verwitterung liefere, so gut wie unerschöpflich sei.“ (S. 116.)

Die von ihm selbst gestellte Frage:

„ob unsere Felder oder deren Boden so beschaffen sei, dass er in kürzerer oder längerer Zeit seiner löslichen und unlöslichen Mineralbestandtheile durch die Entziehung mittelst der Ernte ohne Wiederersatz völlig bar werde?“ S. 28 beantwortet er in folgender Weise:

„Der Boden ist verwitterte Gebirgsart, und er ruht entweder auf der Gebirgsart, aus welcher er verwittert ist, oder anderswo; der translocirte Boden kann sich trotz seiner Translocation gleich geblieben sein, und entspricht wenigstens der Gebirgsart, aus der er entstanden ist. (S. 29 u. ff.)

„Alle Gebirgsarten verwittern; da, wo die Verwitterungsproducte nicht entfernt wurden, bleiben sie oben darauf liegen.

„Die Verwitterung der Gebirgsarten wird hauptsächlich durch die Atmosphärilien bewirkt, sie greifen die Gebirgsart tief unter dem auf ihr liegenden Verwitterungsschutt an.

„Wenn nun ein Boden fruchtbar ist für eine gegebene Pflanzengattung, und wenn er die mineralischen Nahrungsstoffe für die Pflanze in gehöriger Menge und im richtigen Verhältniss und in der zur Aufnahme

  1. Ueber die Ernährung der Agricultur-Pflanzen. Eine Beleuchtung der 50 Thesen des Freiherrn Justus von Liebig von landwirthschaftlicher Seite durch Gustav Walz, Director der land- und forstwirthschaftlichen Akademie in Hohenheim. Stuttgart, Cotta 1857.
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_408.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)