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Wirthschaft nachhaltig veräussern, was gleich dem Product der Atmosphäre ist – ein Feld, von welchem genommen wird, kann nachhaltig an Kraft nicht gleichbleiben oder zunehmen, ist dieser Satz identisch mit dem Naturgesetz; in diesem Ausspruch dieses wahrhaft erfahrenen Mannes, dem die zukünftige Landwirthschaft ein Denkmal setzen wird, liegt die ganze Grundlage des rationellen Betriebs und alle Weisheit ausgedrückt, welche die Naturwissenschaft dem praktischen Landwirth lehren kann.

Eine jede Handlung des Landwirths, welche dieses Naturgesetz verletzt, verdient mit Recht den Namen Raub.

Wenn ein Landwirth auf drei Feldern Kartoffeln, Korn und Wicken oder Klee abwechselnd baut, oder ein Feld mit Kartoffeln, Korn und Wicken nach einander bestellt, und die geernteten Feldfrüchte – das Korn, die Kartoffelknollen und die Wicken –verkauft und so fortfährt viele Jahre lang, ohne zu düngen, so sagt uns jeder einfache Bauersmann das Ende dieser Wirthschaft voraus; er sagt uns, dass ein Betrieb dieser Art auf die Dauer unmöglich sei; welche Culturpflanzen man auch wählen möge, welche Varietät von einem Halmgewächs, Knollen- oder andern Gewächs, und in welcher Reihenfolge – das Feld wird zuletzt in einen Zustand versetzt, in welchem man von dem Halmgewächs nur das Saatkorn, von den Kartoffeln keine Knollen mehr erntet, und wo die Wicke oder der Klee nach der ersten Entwicklung wieder zu Grunde gehen.

Aus diesen Thatsachen folgt unwidersprechlich, dass es kein Gewächs giebt, das den Boden schont, und keines, das ihn bereichert.

Der praktische Landwirth ist durch unzählige Thatsachen belehrt, dass in vielen Fällen von einer Vorfrucht das Gedeihen einer Nachfrucht abhängig ist, und dass es nicht gleichgültig ist, in welcher Ordnung er seine Pflanzen baut; durch die vorangehende Cultur einer Hackfrucht oder eines Gewächses mit starker Wurzelverzweigung wird der Boden für eine nachfolgende Halmfrucht geeigneter gemacht. Das Halmgewächs gedeiht besser, und zwar ohne Anwendung (mit Schonung) von Mist und giebt einen reicheren Ertrag. Für zukünftige Ernten ist aber an Mist weder geschont, noch ist das Feld an den Bedingungen seiner Fruchtbarkeit reicher geworden. Nicht die Summe der Nahrung wurde vermehrt, sondern die wirkenden Theile dieser Summe wurden vermehrt und ihre Wirkung in der Zeit beschleunigt.

Der physikalische und chemische Zustand des Feldes wurde verbessert, der chemische Bestand nahm ab; alle Gewächse ohne Ausnahme erschöpfen den Boden, jedes in seiner Weise, an den Bedingungen ihrer Wiedererzeugung.

Es giebt Felder, auf welchen man ohne alle Düngung sechs Jahre lang, es giebt andere, auf denen man zwölf, und wieder andere, auf denen man die genannten Pflanzen oder irgend andere fünfzig oder hundert Jahre lang nach einander bauen und deren Ernten veräussern kann, aber das Ende ist unausbleiblich das nämliche: der Boden verliert seine Fruchtbarkeit.

In diesen Feldfrüchten verkauft der Landwirth sein Feld; er verkauft in ihnen gewisse Bestandtheile der Atmosphäre, welche seinem Boden

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_420.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)