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müssen zunächst mit allen Mitteln, die ihnen zu Gebote stehen, sich selbst helfen lernen; dann, aber erst dann, wird ihnen die Chemie nützliche Dienste leisten können. So lange sie von dieser Wissenschaft Zaubermittel erwarten, kann ihnen nicht geholfen werden. Sie müssen bedenken, dass, wo der Erfolg in guten Dingen fehlt, nur an festem Willen Mangel ist; die Mittel sind überall[1].

  1. „Nicht blos die Ländereien, welche dem Mittelpunkte der Bevölkerung und des Verbrauchs am nächsten sind, benutzen diese Hülfsmittel. Unsere Bauern schicken sich an zu weiten Fuhren mit ihren schlechten Karren, um einen Ersatz für die geringe Düngermenge ihrer Ställe zu holen. Würdig um dem Kuli in China verglichen zu werden, ist der fleissige Bauer Lucca’s, der innerhalb eines Umkreises von 6 Meilen, mit der Wohlthat der Bewässerung versehen, alle Jahre zwei Ernten erhält, ohne dem Boden jemals Ruhe zu gönnen, und der den Guano nicht einmal dem Namen nach kennt; aber er fährt nicht nur nach dem benachbarten Lucca, sondern auch nach Pisa und Livorno, um die Cloaken auszuleeren, mit deren Hülfe seine unermüdliche Arbeit ein Wunder von Vegetationskraft erzeugt und die dichteste Bevölkerung des alten Herzogthums ernährt. Die Kähne von Viareggio holen in diesen Hafen den Ziegenmist aus der Maremma, um die Oelbäume der Apuanischen Küste zu düngen.“

    „Unsere Maremmen sind durch ihre besonderen Verhältnisse von diesem Ersetzungskreislauf ausgeschlossen. Der Anbau und die Getreideproduction wächst von Jahr zu Jahr mit der immerhin langsamen Verbesserung, aber die dünne und wandernde Bevölkerung des um der bösen Luft willen verödeten Bodens gestattet keine Anhäufung von fruchtbar machenden Stoffen, die im Verhältniss zur Ausfuhr stünden. Die stufenweise Einführung des Fruchtwechsels könnte allmählich auch zu der Entkräftung führen, welche die intensive Cultur anderwärts hervorgebracht hat. Dies Bedenken entgeht den Eigenthümern und Ackerbauern nicht, welche so eifrig bemüht sind, den Ackerbau in diesen Gegenden in Schwung zu bringen; rührt doch deren Unfruchtbarkeit und Verlassenheit, wozu sie so lange verdammt waren, vielleicht zum Theil von dem Raubsysteme der Etrusker und Römer her.“

    „Die toskanische Agricultur ist also eine solche, welche dem Boden diejenigen Stoffe wieder ersetzt, welche von der Wissenschaft als die wirksamsten bezeichnet sind und in dieser Beziehung weit voraus vor manchen andern Ländern etc.“ (Sei nuove lettere chimiche sull’ agricultura di Giusto Liebig, compendiate et annotate de Gustavo Dalgas Dr. Philosoph. Florenze, Felice Paggi. 1858. p. 93. u. ff.)

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_461.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)