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Gemahl, nachdem sie ihn längst als Mörder ihres zweiten erkannt haben muss, unentwegt festhielt, mit der sie sich weigerte, durch ihre Einwilligung zur Scheidung die Gewalt der Katastrophe zu ermässigen, welche über sie hereingebrochen war: diese ihre Hartnäckigkeit wäre ein Verdachtsgrund mehr für ihre Mitschuld an Darnley’s Ermordung. Allein aus Verdachtsgründen ein Urtheil schöpfen oder solche für hinfällig erklären, ist beides gleich leicht und in vielen Fällen gleich unrichtig. Was wissen wir denn von den Motiven, welche die Königin bestimmt haben, lieber das Schlimmste zu ertragen, als durch Preisgebung Bothwells den Versuch zu machen, es von sich abzuwenden? Hat Liebe sie so weit verblendet? oder hat die Furcht auf ihr gelegen, dass eine gründliche Untersuchung von Bothwells Schuld auch die ihrige ans Licht bringen werde? oder glaubte sie, dass ihre Feinde, auch wenn sie sich von Bothwell trennen wollte, ihr dennoch unerbittlich das Verderben bereiten würden? oder war ihr der Grund massgebend, den sie selbst Nicholas Throckmorton, dem Gesandten Elisabeths, zu wissen gegeben hat[1][WS 1], dass sie nämlich ein Kind unter ihrem Herzen trug, welches sie durch Scheidung der Ehe mit Bothwell nicht zum Bastard stempeln wollte? – Man möchte beinahe letzteres glauben, zumal sich kaum bezweifeln lässt, dass die Königin während ihrer Gefangenschaft auf Schloss Lochleven eine Tochter gebar, die nach Frankreich gebracht, in einem Nonnenkloster von Soissons erzogen wurde und daselbst den Schleier genommen hat[2]. Es ist demnach möglich, dass Maria Stuart, wenn sie gegen eine Scheidung sich sträubte, aus mütterlicher Angst und Vorsicht gehandelt hat; es ist ebenso möglich, dass in dem Falle ganz andere Beweggründe entscheidend auf sie gewirkt haben. Ueber den psychologischen Vorgang, der bei dem Anlass in der Seele Maria’s spielte, gibt uns Niemand Auskunft, und ohne solche

  1. Throckmortons Bericht an Elisabeth, 18. Juli 1567 im Calend. of State Pap. Foreign 1566–1568 p. 288. Schon einen Monat früher schrieb Bedford die Nachricht von Marias Schwangerschaft an Leicester, ib. p. 252.
  2. Selbst Labanoff und Lingard können nicht umhin, es für glaubwürdig zu halten, dass diese Tochter der Maria Stuart existirt hat; die Meldung von Erziehung und Einkleidung derselben in Soissons findet man bei Castelnau de Mauvissière, Mémoires ed. J. Le Laboureur. Bruxelles 1731, I, 648.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage (in der Anmerkung): 18. Juli 1867, Stade
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_058.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)