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Ansicht, sie seien schon 775 oder 777 erlassen, ihre Verkündigung dem Lippspringer Tage des Sommers 782 zugeschrieben. Die Gründe für diese Datirung bewegen sich zur einen Hälfte in einem seltsamen Kreise: die Verdener That war keine Willkür, denn sie beruhte auf dem kurz vorher erlassenen Gesetze, und dieses Gesetz muss vorher erlassen sein, weil es in dem Verdener Blutbad schon Anwendung fand[1]. Zur anderen Hälfte ist für Waitz die Einsetzung von Grafen auf dem Lippspringer Tage massgebend und die damit verbundene Nothwendigkeit, ihrer Stellung einen besondern gesetzlichen Schutz zu verleihen. Der gewichtigere Grund aber scheint für ihn in der Hinrichtung an der Aller zu liegen[2], denn bezüglich der Bestimmungen über die Grafen gibt er zu, dass einzelne (c. 24, 28) auf eine spätere Zeit hinzuweisen scheinen könnten. Auch sonst ist er der Meinung, dass „für manches selbst das Jahr 782 noch als ein sehr frühes erscheinen werde“.

Ich verstehe in der That nicht, wie man es rechtfertigen will, dass der König schon 782 für ganz Sachsen die Todesstrafe auf Verachtung des Fastengebots (c. 4) und auf Unterlassung der Taufe (c. 8) habe setzen, oder die Taufe der neugeborenen Kinder innerhalb des ersten Lebensjahres (c. 19) bei hoher Geldbusse habe anordnen können; selbst der Befehl, die christlichen Todten ausschliesslich auf den Kirchhöfen zu bestatten (c. 22), bleibt unverständlich. Gab es denn damals schon Priester genug im Lande, dass allen Bewohnern das Fastengebot überhaupt und die Zeiten seiner Anwendung bekannt waren, dass allen Gelegenheit zur Taufe sich bot? Gab es Kirchen und Kirchhöfe genug, dass alle ihre Todten in geweihte Erde betten konnten? Waren nicht vielmehr weite Striche des Landes ohne jede priesterliche Hilfe, war nicht insbesondere die Zahl der Kirchhöfe noch eine verschwindend geringe gegenüber der Zahl der jährlichen Todten? Ich glaube, dass solche Erwägungen dazu führen müssen, selbst das Jahr 785 als noch zu früh für das vorliegende Gesetz zu

  1. Waitz sagt a. a. O. S. 33 oben: „aber von dieser Strafe ist im Jahre 782 Anwendung gemacht“, und unten: „mir scheint durchaus nothwendig, dass vorher die gesetzliche Androhung der Todesstrafe erfolgt sein musste“.
  2. Ebenso für Kentzler a. a. O. S. 355.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_077.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)