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zwischen liberalen und ultramontanen Historikern Streit geführt wird über die Beurtheilung der Ziele Friedrichs, in der Verwerfung der Mittel, die er verwandt hat, um diese Ziele zu erreichen, stimmen sie heute mit Böhmer überein[1].

Die Verhandlungen über die unio regni ad imperium sind nun aber nicht bloss für die Beurtheilung des Characters Friedrichs von grundlegender Bedeutung. An sein Verhalten in dieser Frage knüpft sich derjenige Vorwurf, welcher auch die Ziele seiner Politik richtet: der Vorwurf der Vernachlässigung Deutschlands gegenüber dem sicilischen Königreich. Aus diesen Verhandlungen soll nach Böhmer hervorgehen[2], dass Friedrich von vornherein die Absicht gehabt habe, Sicilien zum Hauptsitz seiner Regierung, Deutschland zum Nebenland zu machen, seine königlichen Rechte in Deutschland habe er geopfert, um sich die Herrschaft in dem reichen und sonnigen Lande seiner Jugend zu erhalten. Und auch dieser Vorwurf ist an Friedrich haften geblieben.

Um so dringender mag eine genaue Prüfung der Frage erwünscht sein; erinnern wir uns kurz des Thatbestandes.

Mit schwerem Herzen hatte sich Innocenz III. entschlossen, den letzten Spross des staufischen Geschlechtes als Gegenkönig gegen den Welfen Otto aufzustellen, als dieser den Versuch machte, sich des sicilischen Königreiches zu bemächtigen. Früher hatte der Papst die Möglichkeit einer Throncandidatur Friedrichs weit von sich gewiesen, weil dieser die Ansprüche auf Sicilien und Deutschland in seiner Person vereinigte[3]; unterdessen hatte er an Otto eine bittere Enttäuschung erlebt; Friedrich war als Vasall der Curie, als Mündel des Papstes, als Schützling der Kirche aufgewachsen; schlimmer als Otto konnte er nicht sein, vielleicht durfte Innocenz auf die Dankbarkeit rechnen, die Friedrich gern öffentlich bekannte – unter allen Umständen konnte die Curie aus einer Erneuerung des Thronstreites in Deutschland nur Vortheil ziehen.

Auf die Aufforderung des Papstes wurde Friedrich in Deutschland zum König gewählt, in Rom holte er sich den Segen des

  1. Ueber die abweichende Ansicht Winkelmanns vergl. unten.
  2. Reg. p. XXV.
  3. Deliberatio Innocentii Registrum Nr. 29 in der Ausgabe der epp. Innocentii von Baluzius Bd. I, p. 698: Quod non expediat ipsum imperium obtinere patet ex eo, quod per hoc regnum Siciliae uniretur imperio, et ex ipsa unione confunderetur ecclesia.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_097.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)