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ich leugne nicht, dass das Bestreben dem Papste die Pille zu versüssen seine Darstellung beeinflusst haben mag. Aber diese Annahme berechtigt uns nicht, Friedrich einer groben Lüge für fähig zu halten.

Jederzeit hat man nun in dem unmittelbar nach der Wahl ausgefertigten Privileg für die geistlichen Fürsten die bündige Widerlegung der Wahrheit von Friedrichs Bericht gesehen. Dieses soll der Preis gewesen sein, mit dem er die Fürsten erkaufte. Aber dieses Argument ist doch keineswegs zwingend. Ebenso gut, wie Friedrich zu den Fürsten gesagt haben kann: „Wählt mir meinen Sohn, und ich gebe Euch das Privileg,“ können auch die Fürsten gesagt haben: „Gib uns das Privileg, und wir wählen Deinen Sohn.“ Es wäre ja auch möglich, dass Friedrich den Fürsten schon vorher die in dem Privileg enthaltenen Concessionen angeboten hätte, und dass sie jetzt selbständig darauf zurückgekommen wären. Jedenfalls lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Wahl und dieser Urkunde denken, bei welcher Friedrich behaupten konnte, dass er sich jetzt nicht für die Wahl Heinrichs bemüht habe – immerhin mit einer kleinen reservatio mentalis, wie sie den diplomatischen Gepflogenheiten dieser und aller Zeiten entsprach.

Durch die Königswahl Heinrichs hatte Friedrich einen diplomatischen Sieg über die Curie errungen, aber nicht mit den Waffen der Hinterlist und der Lüge, sondern auf ganz legalem Wege war die Absicht der Curie auf Beeinflussung der deutschen Königswahl durchkreuzt worden. Wenn wir die geheimen Pläne der Curie berücksichtigen, so begreifen wir es auch, warum es Friedrich später so leicht geworden ist, bei der Curie die Entbindung von dem Versprechen zu erhalten, nach welchem Friedrich nach der Kaiserkrönung die Regierung Siciliens an seinen Sohn Heinrich abtreten sollte. Offenbar hatte die Curie gar kein Interesse mehr an diesem Versprechen, nachdem durch die Wahl Heinrichs zum deutschen König ihr eigentlicher Plan, die Trennung Deutschlands von Sicilien herbeizuführen, hinfällig geworden war.



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_117.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)