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werden die Einrichtungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, des Judenbischofs, z. B. mit den neuerdings aufgehellten Kölner Verhältnissen zu vergleichen sein. – Schon 1189 wohnen die Juden zwar thatsächlich zusammen, sind aber auch hier nicht ins Ghetto hineingezwungen und im Grunderwerb unbeschränkt. – Von den Ursachen der Judenhetzen gibt Verfasser richtig einige, Pöbelwuth gegen Reiche, Raubsucht der Schuldner, Glaubensfanatismus und Mordlust der Kreuzfahrer, an. Er erklärt die Thatsache, dass England im 11. Jahrhundert sich der Verfolgung enthielt, (zwar falsch auch aus angeblicher politischer Einflusslosigkeit der Prälaten S. 7) richtig daraus, dass es am ersten Kreuzzug fast unbetheiligt blieb (demnach hätte er die Rejudaisatio [s. Ducange] zu Rouen mit der Regensburger von 1097 vergleichen und als Rückschlag gegen das Kreuzfieber erkennen sollen). Doch andere Ursachen des Judenhasses betont Verfasser zu wenig: die Zinshöhe bis 50 Procent, die er mit Geschäftsgefahr richtig erklärt, und die aus dem ordentlichen Rechtsleben, zum Theil auf eigenen Wunsch, ausgenommene Stellung der Juden. Statt nämlich dem Volke sich in gemeinsamer wirthschaftlicher und staatlicher Arbeit zu verbinden, fanden sie in einem Gewerbe, das vom Volksgewissen und vom canonischen Rechte (Endemann, Rom. kanon. Wirthsch. II, 387) ihnen nicht etwa im Gegensatz zu Christen erlaubt war, bei der Krone allein thatsächlichen Schutz, und zwar, wie Verfasser erkennt, nicht aus Gründen der Aufklärung oder Volkswirthschaft, sondern aus Habgier: was die Juden dem Volke abgewuchert hatten, konnten die Könige jederzeit wieder einziehen. Allein zur Entschuldigung für diese niederträchtige Finanzpolitik hätte der Verfasser hinweisen sollen auf den staatlichen Geldbedarf, den zu decken noch keine geordnete Steuerverfassung half. Auch hätte er den Daseinsgrund des damaligen jüdischen Wuchers hervorheben müssen: die Volkswirthschaft brauchte, was kanonistische Lehre und adliche Geschäftsverachtung verpönten, die Ansammlung grosser beweglicher Kapitalien zur Ausführung mächtiger Unternehmungen (vergl. Green, Short Hist. of the English people 85 über Bauten durch jüdische Vorschüsse. Hängt vielleicht mit Wilhelm des II. Baulust seine Gunst für Juden zusammen?). Ganz verfehlt ist es, den damaligen englischen Pfaffen die Greuel von 1189/90 zur Last zu legen, die zwar kirchlichen Anschauungen, aber nur theilweise und nur mittelbar, entsprangen; und diese waren anderwärts und früher entwickelt. Vielmehr erklärten sich die damaligen gebildeten und höheren Geistlichen Englands, darunter die Historiker und die Beamten, mit Wort und That gegen jene Roheiten der Laien; und der gesellige Verkehr von Juden mit angesehenen Geistlichen steht vereinzelt fest:

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_183.jpg&oldid=- (Version vom 12.11.2022)