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Oesterreich dichtende „Stricker“ widmet in seiner „Klage“[1] den Ketzern seiner Zeit ein längeres Capitel, in welchem er die dualistischen Lehren der Katharer zurückweist.

Die Zurückdrängung des Katharerthums in Deutschland in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts werden wir uns wohl in der Weise vorzustellen haben, dass dasselbe durch die waldensische Secte, deren strenge Sittenlehre und Feindseligkeit gegen die herrschende Kirche sich von der der Katharer kaum unterschied, rasch aufgesogen wurde. In Frankreich sehen wir die der Kirche entfremdeten Volkskreise um die Mitte des 13. Jahrhunderts häufig genug überhaupt gar keinen Unterschied zwischen katharischen und waldensischen Reisepredigern machen, bald die Seelsorge des einen, bald die des anderen in Anspruch nehmen[2]; ebenso werden auch gleichzeitig in Oesterreich die Bekenner des Katharerthums, dessen dualistische Lehren dem religiösen Bedürfnisse des deutschen Volkes offenbar wenig entsprachen, in ihrer grossen Mehrheit den rastlos thätigen waldensischen Missionaren sich zugewandt haben. Aus einzelnen Stellen der Predigten Berthold’s von Regensburg[3] scheint zwar hervorzugehen, dass um

  1. Kleinere Gedichte von dem Stricker. Hrsg. von Hahn (Bibliothek der gesammten deutschen Nationalliteratur Bd. XVIII) S. 70 ff. Ueber die Heimath und Zeitverhältnisse des Stricker vergl. Bartsch’s Einleitung zu seiner Ausgabe des „Karl d. Gr.“ S. I ff., VI ff.
  2. Vergl. Lea, History of the inquisition Vol. II, S. 146 f. Zur Zeit Davids von Augsburg wachten die deutschen Waldenser, Ortliber, Runcarier u. s. w. ängstlich darüber, dass ihre Gläubigen nicht zum Uebertritt zu anderen Secten verleitet würden, machten aber der Kirche gegenüber gemeinsame Sache (Ausg. v. Preger S. 216). Ein Beispiel des Uebertritts von den Katharern zu den Waldensern liefert die wahrscheinlich dem Formelbuch des Florentiners Buoncompagno (um 1215) entlehnte Formel des sogenannten Formelbuches K. Albrecht’s I., welche ich im Anhange nach einer Abschrift, die ich der Güte der Direction des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien verdanke, mittheile; ein Bischof richtet in derselben an den Papst die Anfrage, ob ein Kleriker, der nach Empfang der niederen Weihen Patarener geworden, nach der Abschwörung seiner Ketzerei und seiner Weihe zum Diakon aber sich mit der Secte der Leonisten eingelassen hatte, die Priesterweihe erhalten dürfe. Ueber das Formelbuch vergl. Chmel im Archiv f. Kunde österreich. Geschichtsquellen II (1849) S. 213 f., und Schweizer in den Mittheilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung II, S. 229 ff.
  3. Predigt: Saelic sint die reines Herzen sint, in Pfeiffer’s Ausgabe der Predigten I, S. 402 ff. (vergl. auch S. 130), wo Berthold nach der
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_288.jpg&oldid=- (Version vom 16.11.2022)