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die baierisch-österreichischen Waldenser sicherlich nicht verschont geblieben; haben sich doch in Mittel- und Südwestdeutschland jene Verfolgungen in erster Linie gegen die „Armen von Lyon“ gerichet[1]! Was wir von der Inquisition in Baiern und Oesterreich aus jener Zeit erfahren, beschränkt sich allerdings fast nur auf die verschiedenen päpstlichen und kaiserlichen Erlasse, wie sie damals für sämmtliche Theile des Reiches ergingen; über die Art und Weise ihrer Ausführung sind uns Zeugnisse nicht erhalten. Nachdem Papst Gregor IX. am 20. Juni 1231, wie an die übrigen deutschen Prälaten, so auch an den Erzbischof von Salzburg und an dessen Suffraganbischöfe die von ihm gegen die Ketzer erlassenen neuen Statuten behufs allgemeiner Bekanntmachung übersandt hatte[2], beauftragte er am 27. November desselben Jahres die Dominicaner zu Friesach und wohl gleichzeitig auch die zu Regensburg, jene Statuten mit rücksichtsloser Strenge zur Ausführung zu bringen[3]. Die österreichischen

    Hausrath, Kleine Schriften religionsgeschichtlichen Inhalts 1883, S. 137 ff.; Kaltner, Konrad von Marburg 1882.

  1. Vergl. die wenig beachtete Stelle in dem von Alberic von Trois-Fontaines (Mon. Germ. hist. Scriptor. XXIII, S. 878) mitgetheilten Briefe des Erzbischofs Siegfrid von Mainz und des Dominicaners Bernhard an Papst Gregor IX: Magister Conradus contra pauperum Lugdunensium astutias zelo fidei armatus nefandam haeresis Manicheorum filiam olim absconditam… putavit ex toto deprehendere. Die Glaubenslehren, die Konrad von Marburg den von ihm verfolgten Ketzern beilegte (Verehrung von Kröten, Katern und des in den Zusammenkünften der Ketzer erscheinenden Satans, Verübung von Unzucht u. dergl.) sind natürlich sammt und sonders Ausgeburten des religiösen Fanatismus; wie man noch heute (vergl. Kaltner a. a. O.) jene Vorwürfe als thatsächlich begründet bezeichnen kann, ist unverständlich. Mit Ausnahme einzelner offenbar erfundener Züge (namentlich bezüglich angeblicher Weibergemeinschaft) sind die von Trithemius der angeblich um 1230 in ganz Deutschland verbreiteten Secte beigelegten Lehren (Annales Hirsaugienses Tom. I, S. 543 f. ad a. 1230) durchaus waldensisch.
  2. A. v. Meiller, Regesten zur Geschichte der Salzburger Erzbischöfe Nr. 372, S. 252. Der Text der Bulle ist offenbar ganz übereinstimmend mit der am 25. Juni 1231 an den Erzbischof von Trier und dessen Suffragane gerichteten (Böhmer, Acta imperii selecta Nr. 959, S. 665).
  3. Winkelmann, Acta imperii inedita Nr. 624, S. 499. Ebendaselbst die Nachweisungen ähnlicher Erlasse an die Dominicaner von Strassburg, an Konrad von Marburg etc. Die von Felten (a. a. O. S. 217, Anmerk. 6) gegen die Authenticität des an Konrad von Marburg gerichteten Erlasses erhobenen Bedenken scheinen mir ganz haltlos.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_290.jpg&oldid=- (Version vom 16.11.2022)