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die Aussagen der Kremser Ketzer über ihre Hierarchie. Darnach steht an der Spitze der Secte ein Bischof und zwölf Apostel, als deren ausschliessliche Function die Abnahme der Beichte[WS 1] erscheint, und welche seitens ihrer Gläubigen eine unbegrenzte Autorität geniessen; die Apostel durchziehen die verschiedenen Gegenden der Erde und besuchen abwechselnd zu zweien das Paradies, wo sie von Henoch und Elias die Macht zu binden und zu lösen erhalten, um sie auch ihren Amtsgenossen mitzutheilen. Ganz ähnliche abergläubische Anschauungen über das Wesen ihrer Reiseprediger finden wir bei den eichstädtischen und brandenburgisch-pommerischen Waldensern des 14. Jahrhunderts; nur werden dort als Ertheiler der himmlischen Vollmachten bald die Engel des Paradieses, bald die Apostel, bald Gott selbst genannt. Entscheidend ist, dass diese Vorstellungen ausschliesslich dem waldensischen Sectenkreise eigenthümlich sind, und dass ebenso die Bezeichnung als Apostel, Zwölfboten und Beichtiger für die waldensischen Reiseprediger charakteristisch ist[1]. Die Angaben des Kremser Berichtes über die Beichtceremonien der österreichischen Häretiker lauten in den einzelnen Versionen verschieden; da wir auch über die waldensischen Beichtceremonien nicht bis ins Einzelne unterrichtet sind, so müssen wir jene Angaben, die übrigens auch keine nähere Beziehung zum katharischen Cultus verrathen, hier ausser Betracht lassen[2]. Abermals auf die waldensische Secte weist dagegen die Angabe des Inquisitionsberichtes über die bei den Kremser Ketzern als Erkennungszeichen dienenden Losungsworte

  1. Vergl. Wattenbach in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1886, S. 43 ff. und in den Berliner Sitzungsberichten 1887, S. 519; Müller, Die Waldenser S. 105 f. [81 f.]. – Der Bischof der Kremser Ketzer heisst einmal auch „magister“, was vielleicht ein Irrthum ist; bei Pez col. 536 begegnet der Ausdruck: confessores.
  2. Nach den Annalen von Mattsee und der Vorauer Hs. befiehlt der Bischof der österreichischen Ketzer den Beichtenden: „Chuss auf di erden; darauf solt du geraynet werden.“ In der Hs. von St. Florian hiess es angeblich: „Kuss auf de Huer“ (??); die Klosterneuburger Hs. hat die Version: „chusse an die hindern.“ Die 1494 in Valence im Dauphiné processirte Waldenserin Peyronetta bekannte: ipsa confessa est peccata sua alteri [ex magistris Waldensium] genibus flexis ac si fuisset coram suo proprio sacerdote, et inde facta confessione ipsam absolvebat, manum ad caput imponendo more sacerdotum. Bei der Weihe der waldensischen Predigercandidaten in Deutschland „leite sich der nider, den su do zu eime meistere woltent machen, uff die erden uf einen mantel“; im Verlaufe der Ceremonie kniet er nieder und erhält die Weihe durch Handauflegung (Röhrich, Mittheill. aus der Geschichte der evangel. Kirche des Elsasses I, S. 42. – Friess S. 258).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Beicht
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_326.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2022)