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vergeblich sein würde, und er scheute sich nicht, die Reste der alten Königsgewalt in Deutschland aufzugeben, um sich des Beistandes der Fürsten für seine italienischen Pläne zu versichern.

Unter diesem Gesichtspunkte ist Friedrich’s deutsche Politik, ist vor allen Dingen das viel getadelte Privileg an die geistlichen Fürsten zu verstehen. Es zeigt mit den späteren Edicten von Worms und von Ravenna die gemeinschaftliche Tendenz, die Concurrenz der königlichen Gewalt auf fürstlichem, speciell auf geistlichem Gebiete auszuschliessen, die Staatsgewalt als eine einheitliche Gewalt in die Hand der Fürsten zu legen. Daher wird das königliche Herbergsrecht und das Recht der Privilegienertheilung beschränkt, zum Theil aufgehoben.

Im Ganzen enthält die Urkunde von 1220 den legalen Ausdruck für die thatsächliche Entfremdung zwischen dem Königthum und dem Episcopat, wie sie sich unter Innocenz vollzogen hatte: die deutschen geistlichen Fürsten stellten sich als Landesherren auf eigene Füsse.

Wir werden zweifeln können, ob das, was Friedrich hier aufgab, wirklich so viel Werth hatte, als man anzunehmen pflegt. Auch hier ist der Vergleich mit Frankreich lehrreich. Die Rechte, auf welche Friedrich jetzt in Deutschland verzichtete, hatte das französische Königthum ausserhalb der königlichen Domäne viel früher aufgegeben, und doch ist in Frankreich die Restauration der königlichen Gewalt gelungen, die in Deutschland verfehlt worden ist. Das französische Königthum hat nicht etwa die alten Rechte wieder erobert, seine Macht ist auf ganz neuer Grundlage aufgebaut worden: durch allmählige Vereinigung der Vasallenstaaten mit der königlichen Domäne zu einem einheitlichen Beamtenstaate. Thatsächlich war die alte Form der deutschen Verfassung, die auf einer Theilung der Staatsgewalt zwischen dem König und seinen Beamten beruhte, überlebt: der Zug der Zeit ging auf eine Zusammenfassung der Staatsgewalt in einheitlicher Leitung.

Man darf sich daher nicht wundern, wenn Friedrich in Sicilien und Deutschland eine scheinbar entgegengesetzte Politik verfolgte; es entspricht durchaus dem modernen Bewusstsein Friedrich’s, dass er die veralteten Königsrechte in Deutschland aufgab, während er in Sicilien der Begründer der absoluten Königsgewalt geworden ist.

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_342.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)