Seite:De DZfG 1889 02 003.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

seit ihrem letzten Zusammensein in den Niederlanden keine Gelegenheit versäumt, um Karl evidente Beweise seiner Ergebenheit zu bieten; mehr aber noch als diese äusseren Handlungen bedeute die innere Gesinnung, durch die er mit dem Bruder verbunden sei, und welche niemals einen Wandel erfahren werde. Diese Hingebung an das kaiserliche Interesse ging ja lange so weit, dass er von den besonderen Ansprüchen der seiner Verwaltung anvertrauten österreichischen Länder wenig berührt zu sein schien. Mit ganzer Seele lebte er in dem grossen europäischen Kampfe seines Bruders; nach Italien und Burgund strebten seine Gedanken. Er hatte über Karl viele und grosse Beschwerden zu führen; der Kaiser erfüllte die ihm gegebenen finanziellen Zusagen ebenso wenig, als die den Reichsfürsten ertheilten; die Statthalterschaft im Reiche war für Ferdinand die Quelle unendlicher Verdriesslichkeiten und Verlegenheiten, nicht nur weil der Kaiser nicht zahlte, sondern auch weil er auf die wichtigsten Entscheidungen nicht selten ungebührlich warten liess. Aber wie dringend auch Ferdinand an die Erfüllung gegebener Zusagen mahnte, und wie lebhaft er immer neue Wünsche in Betreff der österreichischen Lande, des Reiches, Italiens u. s. w. vortrug, und wie wenig der Kaiser auf diese Wünsche einging, er blieb seinem Dienste immer mit derselben unwandelbaren Treue ergeben.

Der Kaiser schien diese brüderliche Liebe im vollsten Masse zu erwiedern. In seinen Briefen äussert er sich öfter geradezu zärtlich; die Wendung, er liebe und achte Ferdinand comme ung aultre moy mesmes, er liebe ihn nicht nur wie seinen Bruder, sondern wie seinen ältesten Sohn, kehrt nicht selten wieder. Allerdings entsprechen diesen Worten die Handlungen lange recht wenig. Manche sehr berechtigte Wünsche Ferdinand’s blieben Jahre lang unerfüllt, die Geldnoth immer dieselbe. Aber konnte der Kaiser beim besten Willen den Bruder befriedigen? Ferdinand wusste wohl, wie es mit den kaiserlichen Kassen bestellt war und wesshalb die ihm auf Neapel und Venedig angewiesenen Zahlungen ausblieben. Schwerer mochte er sich erklären, wesshalb Karl so lange zögerte, ihm die Regierung über die abgetretenen Lande aus eigenem Rechte zu übertragen. Er hat sich einmal sehr empfindlich darüber geäussert. Immerhin kamen dabei keine ernstliche Zwistigkeiten zum Vorschein. Der

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_003.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2022)