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Publicationen verdient die Arbeit des Prof. Dr. J. Řežábek: Jiří II. poslední kníže Malé Rusi (1883) hervorgehoben zu werden. Es ist eine bemerkenswerthe Studie, welche eine der dunkelsten Partien der galiz. G. hell erleuchtet. Mit vielem Fleisse und kritischem Talente wird da der Beweis geliefert, dass Georg II., den man seit Karamzin für den letzten Fürsten des alten Romanovicer Geschlechtes hielt, und Boleslaus (Sohn des Trojden, eines Mazowischen Fürsten), der Erbe und Nachfolger der alten Dynastie wurde, eigentlich eine und dieselbe Person sind, indem Boleslaus mit dem orthodoxen Glauben den neuen in der griechischen Kirche beliebten Namen Georg annahm; die alte galizische Dynastie erlosch schon im J. 1322 mit dem Tode Leo’s II. Die Arbeit Řežábek’s erregte die Aufmerksamkeit der russischen Gelehrten, von denen Kunik sie ins Russische übersetzte und durch neue Belege den dargebrachten Beweis bekräftigte.

Viele und grosse Aufgaben erwarten noch die Geschichtsforschung in den böhm. Ländern, deren politische Berührungen mit den germanischen und romanischen Elementen in der Vergangenheit so mannigfaltig und lebendig waren und deren geistiges Leben besonders im 14.–17. Jahrh. so intensiv, reich und anregend war. Mit zweifachem Mangel kämpften bisher die heimischen Bemühungen: einerseits fehlte es an materieller Unterstützung, andererseits reichte die Zahl der geschulten Forscher doch nicht aus. In beiderlei Hinsicht erhoffen wir in baldiger Zukunft eine entscheidende Wendung. Durch Errichtung der böhm. Hochschule in Prag kann die wissenschaftliche Thätigkeit auch in der böhm. G.-Wissenschaft besser und systematischer organisirt werden. Viele Hoffnungen verspricht das an der philos. Facultät eröffnete histor. Seminar zu erfüllen, das unter der Leitung der Professoren J. Emler u. J. Goll steht. Durch günstige Erfolge der neubelebten histor. Studien wird dann wieder das seit den letzten Jahren schlummernde Interesse des adlichen und bürgerlichen Standes erwachen, so dass es auch an materieller Unterstützung der wissenschaftlichen Bestrebungen nicht fehlen wird. Die mächtigste Stütze aber können diese Bestrebungen in der zukünftigen selbständigen böhm. Ak. der Wissenschaften finden, deren Errichtung, aufgemuntert durch ein grossartiges Geschenk eines ungenannten Mäcenaten (200 000 fl.), der böhm. Landtag in den zwei letzten Sessionen beschlossen hat und deren kaiserliche Sanctionirung bereits erwartet wird. Mögen unsere weiteren Berichte über Fortschritte der böhmischen G.-Wissenschaft in dieser Zeitschrift diese unsere Hoffnung schon im Interesse der allgemeinen Geschichtsforschung bestätigen.

Kolin, April 1889.

Heinrich Vančura.     



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_192.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2022)